„Da hasse aber übern Satt gegessen.“, hat meine Oma in dem Fall gerne gesagt. Was so viel heißt wie: Du hast einfach mal dein Sättigungsgefühl ignoriert und munter weiter gefuttert.
Das ist genau das Essverhalten, dass ich mit Überessen meine. Es geht nicht darum, mal Heiligabend bei einer Familienfeier aus Langeweile oder einer anderen besonderen Gelegenheit über die Stränge geschlagen zu haben.
Wenn du dann am nächsten Tag merkst, dass du immer noch satt bist, keine Lust auf Frühstück hast und erst zu Mittag wieder etwas isst, empfängst du wahrscheinlich genau die richtigen Signale deines Bauchgefühls.
Wenn daraus allerdings eine Phase wird, in der du merkst, dass dieses unangenehme Druckgefühl nach dem Essen keine Ausnahme mehr ist und dass die lethargische Völlephase öfter vorkommt, macht es Sinn mal genauer hinzuschauen.
In dem Moment, wo du mehr als pappsatt bist, bereust du zwar zu viel gegessen zu haben. Trotzdem passiert es wieder, als ob du dich nach kurzer Zeit schon nicht mehr an das Gefühl erinnern könntest. Und schon siehst du dich selber wieder einen Nachschlag nehmen und drehst die nächste Runde im immer selben Kreisverkehr.
Neigst du zum Überessen?
- du isst so schnell, dass du meist gar nicht schmeckst, was du isst
- du kannst deine Hunger- und Sättigungsgefühle nicht gut spüren
- die Mahlzeiten sind dir so wichtig, dass es dir schwerfällt sie wieder zu beenden
- nach dem Essen hast du öfter ein Völlegefühl und fühlst dich schlapp und energielos
- du nimmst dir regelmäßig nach, obwohl du schon satt bist
- du hast oft Schuldgefühle, weil du zu viel oder etwas Verbotenes gegessen hast
Wenn dir diese Beschreibung noch viel zu harmlos erscheint, könnte es sein, dass du unter einer Essstörung leidest. Dann werden die folgenden Tipps wahrscheinlich nicht ausreichen. Suche dir dann bitte entsprechende Hilfe.
Es kann sein, dass dieses Verhalten auch nur phasenweise auftritt und danach wieder verschwindet. Umso besser, wenn du herausfindest, wie du damit umgehen kannst und was du langfristig tun kann, um die nächste Phase zu vermeiden.
6 Schritte, mit denen du Überessen vermeiden kannst:
1 | Lege deine Portion vor dem Essen fest
Dazu gehört schon, dass du die benötigte Menge beim Einkaufen versuchst abzuschätzen.
Koche oder bereite keine mehrfachen Portionen zu und lade dir auch nur so viel auf den Teller, wie du in dem Moment meinst zu brauchen.
Bei uns zu Hause gab es unter anderem die praktische Sitte, die Töpfe gleich auf den Tisch zu stellen, damit sich jeder selber nehmen konnte. Ich habe festgestellt, dass das ein prima Beschleuniger für das Überessen ist. Vor allem, wenn irgendwann nur noch ein Rest im Topf ist und der natürlich „noch wegmuss”.
2 | Konzentriere dich wirklich auf dein Essen
Versuche, soweit es deine Lebensumstände zulassen beim Essen wirklich da zu sein. Setz dich an einen Tisch, benutze einen Teller und Besteck und lege alles, was du essen möchtest auf diesen Teller.
Steh nicht auf, um dem Hund schnell was zu geben oder sonst mal zwischendurch was zu erledigen.
Bleib die ganze Zeit über auf deinem Platz. Wenn du eine Pause beim Essen machen möchtest, leg das Besteck beiseite und schau aus dem Fenster.
Es kann dir auch helfen, wenn du dich zum Essen an einen anderen Platz als üblich setzt.
3 | Bleibe mit der Aufmerksamkeit bei dir
Wenn du mit anderen zusammen isst, klinke dich während der Mahlzeit immer wieder bewusst aus dem Gespräch aus und lenke deine Aufmerksamkeit auf dein Essen.
Frage dich:
- Was esse ich da eigentlich? Wie schmeckt es?
- Wie schnell esse ich? Wie voll ist meine Gabel?
- Wie hektisch bewege ich mich? Wie schnell führe ich meine Gabel zum Mund?
- Wie gut, bzw. wie oft kaue ich?
Lege auch hin und wieder mal das Besteck zur Seite und atme tief durch. Wenn es für dich umsetzbar ist, kannst du auch mal versuchen eine Mahlzeit schweigend und ohne jegliche Ablenkung einzunehmen.
Gehe nacheinander einmal alle deine Sinne durch (was sehe ich?, was höre ich?, was schmecke ich?, was rieche ich?, was fühle ich?).
Mach mehrere bewusste Pausen während des Essens und beobachte dann, ob du den Moment, indem das Sättigungsgefühl eintritt, deutlicher wahrnehmen kannst als sonst. Lege dazu beide Hände auf deinen Bauch. Das hilft dir, deine Aufmerksamkeit dorthin zu lenken.
Generell gesagt: Je mehr du von der Mahlzeit mitbekommst und je klarer du in dem Moment bei dir bist, desto bewusster nimmst du auch die Menge wahr, die in deinem Magen landet. Und umso schneller bist du auch satt.
4 | Mach eine bewusste Pause nach deiner selbstgewählten Portion
Nimm dir etwas Zeit, konzentriere dich auf deinen Atem und versuche deinen Sättigungsgrad zu bestimmen. Versprich dir selber, dass du noch etwas essen darfst, wenn du es unbedingt brauchst.
Spüre aber auch ganz genau, wo dieses Verlangen nach mehr herkommt und ob es wirklich Hunger ist. Suche nach dem Hungergefühl. Wenn du es noch findest, versuche auch hier die Stärke zu bestimmen.
5 | Überprüfe deine Glaubenssätze
Glaubst du daran, auch mit weniger noch überleben zu können? Denn, wenn du insgeheim glaubst: “Von kleineren Portionen kann ich auf keinen Fall satt werden”, ist das ein absolutes Hindernis. Wirf diesen Glaubenssatz über Bord.
Wie das geht? Überlege zunächst, ob du noch weitere Glaubenssätze zum Essen vor allem in Bezug auf Mengen, Dauer und Portionsgrößen hast.
Hast du vielleicht das Gefühl, jedes Mal so etwas wie eine Henkersmahlzeit einzunehmen und sie daher möglichst ausnutzen und in die Länge ziehen zu müssen? Schreib alles auf, was dir in den Sinn kommt, egal wie abwegig es klingt.
Probiere dann dieses kurze aber sehr praktische Ritual: Mach für jeden Glaubenssatz einen kleinen Zettel, zerreiße ihn ganz langsam, verbrenne die Schnipsel in einer feuerfesten Schale und spüle die Asche das Klo runter. Spül ruhig noch ein paar Mal nach, wenn dir danach ist.
Wenn du noch weitere Anregungen, für mögliche Glaubenssätze rund um dein Essverhalten brauchst, schau mal hier nach.
6 | Beende die Mahlzeit mit einem Abschlussritual (das mit der Mandarine)
Wenn du deine vorher festgelegte Portion aufgegessen hast, dich zwar gesättigt, aber noch nicht fertig mit der Mahlzeit fühlst, hilft ein Abschlussritual dich nicht zu überessen.
Schäle z.B. eine Mandarine ganz langsam und genüsslich. Konzentriere dich auf den Duft, der dabei entsteht. Zerteile sie dann und iss sie genüsslich - ein Stück nach dem anderen - auf.
Wenn du keine Mandarinen magst, schäle ganz langsam einen Apfel oder suche dir ein eigenes, vergleichbares Ritual.
Dabei geht es nicht darum, den Nachtisch zu ersetzen oder darum, dass eine Mandarine gesund ist oder wenig Kalorien hat. Es geht lediglich darum, deinem Unterbewusstsein ein Signal dafür zu senden, dass die Mahlzeit jetzt abgeschlossen ist. Und dir die Möglichkeit zu geben, dein Sättigungsgefühl in Ruhe wahrnehmen zu können.
Je länger das Ritual dauert und je achtsamer du es umsetzt, desto wirksamer ist die Botschaft.
Das sind eine paar kurzfristigen Ansätze, die ich sehr hilfreich finde, um einen ersten Bewusstseinswandel auszulösen.
Vielleicht wird dir dadurch auch erst klar, wie sehr du bisher bei den Mahlzeiten auf Autopilot gestellt hattest. Dass du gar nicht wirklich wahrgenommen hast, was da eigentlich passiert. Oft ist dieses Verhalten nur ein Symbol für ein unbewusstes, weil zu stressiges Leben, indem zu dir zu wenig Ruhephasen und keine Zeit gönnst mal „runterzukommen“.
Du kannst nicht Maß halten, während du durch dein Leben hetzt.
Das Ziel, die Fahrt im Kreisverkehr von Überessen, Unwohlsein, Schuldgefühlen und erneutem Essen wirklich zu beenden, ist nur langfrisitg erreichbar. Das gelingt dir, indem du dir bewusst machst, welche Gefühle bisher dazu geführt haben, dass du in immer neue Runden gestartet bist.
Wieder zurückfinden vom Überessen zu angenehmer Sättigung.
Versuche dir das Ganze mal mit Abstand, wie aus der Vogelperspektive anzusehen. Welche Gefühle kommen nach dem Essen in dir hoch? Welche Gefühle spürst du, sobald das Sättigungsgefühl und der Druck im Magen wieder abgeklungen ist?
Hilft das Füllen des Bauches dir Gefühle zu verschütten, damit du sie nicht mehr spüren musst? Wie wichtig ist dieser betäubte Zustand, indem du dich nicht mehr gut bewegen kannst? Wovor schützt er dich? Was wäre dir sonst zu viel?
Wenn du kannst, beantworte dir diese Fragen schriftlich. Dabei fällt es dir viel leichter, unbewusste Zusammenhänge und Muster zu erkennen.
Lass auch deine Schuld- und Schamgefühle los. Sie helfen dir nicht bei der Veränderung, sondern stehen dir nur im Weg. Dabei kann ich dich unterstützen, wenn du möchtest.
Und vergib dir selbst. Rückschläge sind normal und bedeuten nicht, dass du es nicht schaffen wirst. Gewohnheiten sind nur Stück für Stück zu verändern. Feiere lieber deine kleinen Erfolge und ermuntere dich in kleinen Schritten weiterzumachen.
Auch wenn du das Gefühl hast, vor einem Riesenberg zu stehen, fang an dich mit deinen Gefühlen auseinander zu setzen.
Alle anderen Wege, die ohne diesen Schritt auskommen, sind nicht von Dauer und helfen dir nicht dabei, die Ausfahrt aus dem Kreisverkehr zu finden.
WOW Danke, dies hilft bereits sehr!!
… freut mich, dass Du hilfreiche Impulse bekommen hast 🙂 Liebe Grüße Martina