Du willst dich gut fühlen. Das ist ein sehr menschliches Bedürfnis. Je nachdem, welche Prägungen du in deiner Familie und im Laufe deines Lebens erhalten hast, kann Essen dabei eine wichtige Rolle spielen. Und dann wirst du wahrscheinlich noch heute regelmäßig dazu greifen, um deine Gefühle zu regulieren.

Beim emotionalen Essen spielt dein Unterbewusstsein unterschiedliche Programme ab, mit dem Ziel über das Essen eine Verbesserung deiner Stimmung zu erreichen. Dazu musst du allerdings etwas essen.

Und deshalb hast du auch ständig Hunger.

Wenn du schlecht drauf bist - hast du Hunger.
Wenn du Zuwendung oder Erholung brauchst - hast du Hunger.
Wenn du mit deinem Leben haderst - hast du Hunger.
Wenn du nach dem Essen auf der Couch sitzt - hast du Hunger.

Um deinen eigenen Mustern auf die Schliche zu kommen, musst du verstehen, was da genau passiert. Warum hast du das Gefühl, ständig Hunger zu haben? Warum isst du, obwohl du eigentlich satt bist? Was sind die Ursachen für deinen ständigen Hunger?

Du kannst dein eigenes Essverhalten entschlüsseln, wenn du dir die emotionalen Verknüpfungen dahinter bewusst machst.

1 | Verdrängung, Betäubung und Schmerzlinderung

Du hast irgendwann in deiner Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass ein angenehmer Geschmack dich von einem unangenehmen Gefühl abgelenkt und dir damit vermeintlich Linderung verschafft hat.

In Situationen, wo du unter Stress stehst oder Angst hast, arbeitet dein Verstand nicht optimal. Dann stellt dein Unterbewusstsein sicher, dass deine Grundbedürfnisse versorgt sind. Das ist eine nützliche Einrichtung der Natur.

Es führt in dem Fall aber auch dazu, dass die positive Erfahrung durch das Essen mit dem Abklingen des unangenehmen Gefühls verknüpft wird. Dein Unterbewusstsein speichert eine Art Therapieprogramm für den Umgang mit schmerzhaften Situationen ab.

Treten irgendwann ähnliche Umstände auf, wird es dir sofort Essen als mögliche Lösung vorschlagen. Dann verspürst du immer Hunger - oder besser gesagt Appetit oder Gelüste.

Um eine solche Verknüpfung herzustellen, braucht es kein einschneidendes Ereignis. In der Regel reichen kleine, wiederholte Erfahrungen aus. Die prägen sich auf Dauer allerdings gut ein - der stete Tropfen halt ;-).

  • Wenn T. als Kind geweint hat, bekam sie erst mal einen Keks. Das hat sie sofort abgelenkt, es schmeckte süß und man sagte ihr, jetzt sei doch "alles wieder gut".   
  • S. hat einen stressigen Alltag. Zwischen Kindern, Haushalt und dem Teilzeitjob reibt sie sich regelmäßig auf und fühlt sich fremdbestimmt. Essen findet meist reflexartig und zwischendurch statt. Wenn sie sich im Job ärgert oder ihre Kinder schlecht drauf sind, braucht sie sofort etwas zu essen, um erstmal wieder runterzukommen.
  • Nach dem Mittagessen in der Kantine merkt H. jedes Mal wie sie traurig wird, weil dieses Highlight ihres Arbeitstages schon wieder vorbei ist. Dann holt sie sich noch einen Nachtisch, den sie am Schreibtisch isst, um dieses Gefühl nicht mehr spüren zu müssen.

Häufig greifen wir noch als Erwachsene in schwierigen Situationen zu Produkten, mit denen wir als Kind beruhigt oder abgelenkt wurden. Schmerzhafte Gefühle sind dann für den Moment nicht mehr spürbar. Damit ist diese Art der Therapie für dein Unterbewusstsein ein voller Erfolg.

Alle Vernunft, guten Vorsätze und Gesundheitsregeln können diesem kurzfristigen Effekt nichts entgegensetzen.

Hättest du als Kind gelernt, deine Angst zu spüren, anzuerkennen und zu beobachten, wie sie dann von alleine wieder abklingt, hätte vielleicht das deine bevorzugte Schmerztherapie werden können.

2 | Emotionaler Ersatz und Mängel beheben

Sehr leicht zu verwechseln ist die Schmerzlinderung mit dem Wunsch einen Mangel im Leben zu beheben und Essen als Ersatz für positive Gefühle einzusetzen.

Bei diesem Programm geht es eher um den Ersatz für ein in vollen Zügen gelebtes Leben. Das, was du isst und die Menge, spiegelt dir unter Umständen deine nicht erfüllten Lebensziele. Man könnte sagen, dass das der Versuch ist, ein seelisches Hungergefühl mit Essen zu stillen.

Die Botschaften deiner Seele suchen sich einen Kanal, um auf sich aufmerksam zu machen. Essen wird dann wahlweise zum einzigen Mittel der Selbstfürsorge, Trostpflaster oder Ersatz für den Teil des Lebens, der Freude und Leichtigkeit bringt.

Damit verbunden ist häufig das Gefühl nur noch zu funktionieren oder keinen wertvollen Beitrag in der Welt zu leisten. Im Hamsterrad gefangen zu sein oder gar nicht erst den richtigen Job oder Beruf gewählt zu haben.

  • C. ist unglücklich in ihrem Job - eigentlich schon immer. Sie weiß, dass sie nur sich selbst ändern oder die Situation verlassen kann. Sie schafft es aber nicht, diese Theorie in die Praxis umzusetzen und verfängt sich immer wieder in ihren eigenen Mustern. Mit Essen gibt sie sich selbst die Wertschätzung, die sie täglich vermisst.
  • Soweit T. sich erinnern kann, war ihre Mutter für sie emotional nicht ansprechbar. Sie war immer mit sich selbst beschäftigt und schon mit ihrem eigenen Leben überfordert. Allerdings durfte T., im Gegensatz zu ihren Freunden, immer so viel naschen wie sie wollte. Süßigkeiten wurden zu ihrem Liebesersatz. 
  • Früher hat A. ein entspanntes Leben gehabt. Sie hat viel mit Freunden unternommen, sobald es das Wetter zuließ, war sie draußen unterwegs und lesen war ihre liebste Kraftquelle. Seit sie mit der Ausbildung fertig ist, einen festen Job und geregeltes Einkommen hat, sind ihre Tage komplett durchstrukturiert. Ihre einzigen Auszeiten sind die Mittagspause und das abendliche Essen mit Netflix. Essen ist Ersatz für Spaß und Freude in ihrem Leben geworden.

Oft wird diese Ursache für emotionales Essen auch mit Langeweile verwechselt. Essen aus Langeweile hat aber meistens andere, viel tiefer liegende Gründe.

Wenn du zur Ruhe kommst, das Wichtigste erledigt ist und du nichts mehr hast, mit dem du dich ablenken kannst, macht sich deine innere Stimme bemerkbar.

Sie bringt teilweise unbewusste Sehnsüchte und unerfüllte Träume mit. Fragen wie: Was will ich eigentlich noch mit meinem Leben anfangen? Ist das das Leben, das ich leben wollte?

Wenn du dir schnell etwas zu essen machst, bist du beschäftigt und kannst sie zum Schweigen bringen. Es tröstet dich darüber hinweg, dass es eigentlich nicht so läuft, wie du ursprünglich mal gedacht hattest.

Du kannst aber auch versuchen, diese Fragen für dich zu beantworten. Herauszufinden, was in deinem Leben fehlt. Und dann in kleinen Schritten Veränderungen vornehmen und wieder in eine andere Richtung gehen.

Darum hast du ständig Hunger

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3 | Ständig Hunger als Schutz vor der Außenwelt

Früher hat man in Burgen gewohnt und um jede Stadt wurde eine Mauer und ein Graben gezogen. Das sollte Schutz vor potenziellen Angreifern bieten. Heute sind wir näher zusammengerückt und die Mauern scheinen überflüssig. Der Wunsch, sich in manchen Situationen und Lebensphasen zu schützen, ist aber geblieben.

Wenn es dir schwerfällt, dich verbal oder emotional abzugrenzen, kann die Gefahr bestehen, dass dein Körper diese Aufgabe für dich übernehmen muss. Weitere Anzeichen dafür sind die Angst verletzt zu werden, sich emotional ungeschützt fühlen und ein starker Wunsch nach Harmonie und innerem Frieden.

Wie hast du schwierige Phasen in deinem Leben bisher gemeistert? Neigst du eher dazu, kritische Situationen auszusitzen und dich zurückzuziehen oder machst du deinen Standpunkt klar?

Verlässt du deine Komfortzone nur ungern, ist jede Entscheidung oder Veränderung ein Drama und fühlt sich an wie eine lebensbedrohliche Krise?

Dann überprüfe, welche Rolle Essen in diesem Zusammenhang spielt.

  • Nach der Trennung von ihrem letzten Freund will K. niemanden mehr zu dicht an sich herankommen lassen. Sie will das nicht nochmal erleben und hat sich unbewusst ein dickes Fell zugelegt.
  • C. hat ständig Stress mit ihrer Mutter, weil die ihre Art zu Leben kritisiert. Sie müsste das dringend mal mit ihr klären, um sich von dieser Belastung zu befreien. Jedes Mal, wenn ihre Gedanken in diese Richtung gehen, überkommt sie ein wahnsinniger Heißhunger. Wenn sie sich vollgefuttert hat, sind die Gedanken verschwunden und sie ist zu träge, etwas zu unternehmen. Sie bleibt in ihrer Komfortzone.
  • Immer wenn M. eine vermeintlich wichtige Entscheidung zu treffen hat, etwas Größeres anschaffen oder einen Vertrag unterzeichnen muss, wägt sie alle Risiken tausendmal ab. Sie kommt nicht weiter und flüchtet sich ins Essen. Darüber vergisst sie ihre Herausforderungen.

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4 | Gewohnheiten und Rituale

Sicherlich hast auch du Essgewohnheiten aus deiner Kindheit übernommen, die dich noch heute begleiten. Dabei spielen auch besondere Ereignisse eine wichtige Rolle. Bestimmte Gerichte gab es nur am Wochenende, an Feiertagen, zum Geburtstag oder wenn spezielle Gäste zu Besuch waren.

Dann hat die Mutter sich besonders viel Mühe gegeben, alles mit Liebe zubereitet und man durfte nicht naschen oder auch nur in die Nähe der begehrten Köstlichkeiten kommen.

Wenn es bestimmte Gerichte nur zu besonderen Anlässen gibt, werden diese automatisch emotional aufgeladen. Dann bilden sich später Gewohnheiten, mit denen man dieses besondere Gefühl immer wieder aufleben lässt.

  • Bei M. wurde auf Familienfeiern immer besonders viel gegessen. Man war stolz es sich leisten zu können und nicht geizig mit Essen sein zu müssen. Viel zu essen war etwas, das die Familie zusammengeschweißt hat. Darüber hinaus gab es nicht viel.
  • K.’s Oma ist die Nachkriegszeit noch sehr präsent gewesen. Ihr liebster Tischspruch ist für K. mit der Zeit zu einem Glaubenssatz geworden: “Du musst immer etwas mehr essen, damit du in schlechten Zeiten etwas zuzusetzen hast.” Sie isst gewohnheitsmäßig große Portionen. Das gibt ihr ein Gefühl von Sicherheit.
  • E.’s Mutter ist früh verstorben. Mit dem Vater ist sie in der Zeit danach sonntags immer spazieren gegangen und danach gab es Schnitzel mit Pommes im Restaurant. Ein paar Jahre später starb auch ihr Vater.

Bei den meisten Menschen, mit denen ich arbeite, ist mehr als eines dieser Programme vorhanden. Je länger man sie praktiziert, desto stärker prägen sie sich ein. Das Gefühl, irgendwie ständig Hunger zu haben, entsteht mit der Zeit.

Warum ist es wichtig, zu wissen, welcher dieser Gründe deine Gelüste entstehen lässt? Worin die Ursachen liegen, weshalb du ständig Hunger hast?


Weil du nur so verstehst, wofür dein Appetit steht und welche Gefühle dahinter stecken.

Und: Wenn du selbst etwas verändern willst und langfristig Alternativen zum Essen suchst, sind die Lösungen bei der Schmerzvermeidung andere, als wenn du ein Ritual ersetzen willst.

Dein Essmuster ist eine Informationsbörse für deine Ängste, Sehnsüchte und Bedürfnisse.

Manche Muster verändern sich von selbst, wenn du sie durchschaut hast. Wenn du ein Muster vollständig verstanden hast, kann es sogar sein, dass es sich von alleine auflöst.

Häufig besteht die Schwierigkeit allerdings darin, die eigenen Vermeidungspogramme und unbewussten Ängste auch zu durchschauen. Sie sind dir in der Regel seit Jahren vertraut und fühlen sich wie ein unverzichtbarer Teil von dir selbst an.

Beginnen kannst du damit, deinen physischen und deinen emotionalen Hunger zu unterscheiden. Komplett trennen wirst du sie nie können, denn Essen hat ja auch immer etwas mit Genuss zu tun. Und das soll auch so bleiben.

Trotzdem hilft es zu wissen, ob du gerade wirklich Hunger oder eher ein emotionales Bedürfnis hast. Dann ist dir in dem Moment möglicherweise mit einer Pause, Ruhe oder ein wenig Durchatmen an der frischen Luft viel besser gedient als mit essen.

Der Schlüssel zur Veränderung deines Essverhaltens liegt in jedem Fall in deinem Umgang mit deinen eigenen Gefühlen.

Warum Diäten und Ernährungsumstellungen dabei langfristig keine Lösung sind, sondern deine Herausforderung weiter verschärfen und worauf du achten solltest, wenn du dauerhafte Veränderung willst, habe ich in diesem Artikel beschrieben.

Der Wegweiser raus aus deinen Essmustern

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Martina Aust
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  1. Ich weiß eigentlich seit vielen Jahren, dass ich aus Langeweile und emotional esssüchtig bin, aber ich weiß nicht, wie ich dagegen ankomme. Essen ist so schnell reingestopft, ohne Zeit über meine Gefühle nachzudenken. Das ist seit 40 Jahren so und ich weiß nicht, ob das jemals anders wird. Aber schöner Beitrag, danke!

  2. Liebe Martina,
    es ist glaub ich inzwischen 2 Jahre her, dass du mir geholfen hast, meine emotionalen Essmuster zu erkennen, und ich habe auch seitdem 10 kg abgenommen (Anfangsgewicht 80 kg). Es passiert nach wie vor, dass ich mich in stressigen beruflichen Zeiten mit Essen belohnen möchte, aber da kommt sofort der Gedanke: Na, sind wir wieder mal so weit? Ich verspreche dann meinem Körper, wenn möglich sofort, spätestens am Abend für Ruhe zu sorgen, und mache lieber yin-yoga oder anderes entspannendes. So halte ich auch mein Gewicht sehr gut! Und wenn es gar nicht anders geht: Ausnahmen bestätigen die Regel, und das ist so selten, dass ich trotzdem mein Gewicht halten kann. Vielen herzlichen Dank, liebe Martina! Ich lese deine inputs immer wieder sehr sehr gerne! LG Sonja

    1. Liebe Sonja, ich freue ich wirklich sehr für Dich 🥳🎉!! Deine Erfahrung zeigt vor allem auch, wie nachhaltig das Lösen der Muster ist. Kaum zu glauben, dass das schon so lange her ist. Ich kann mich noch gut an unsere Gespräche erinnern – wir hatten immer viel Spaß.🤣 Ganz liebe Grüße, Martina

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