Sabine hatte eine richtig miese Woche.
Ihre Firma hat ein neues Großprojekt an Land gezogen, dessen Leitung sie übernehmen durfte. Nach der ersten Begeisterung wünscht sie sich mittlerweile, ihre Chefin hätte nicht so viel Vertrauen in sie gesetzt.
Die Arbeit ist wesentlich umfangreicher als gedacht und der Kollege, der sie unterstützen sollte, fällt krankheitsbedingt auch noch für mindestens vier Wochen aus – dabei ist das Büro sowieso schon unterbesetzt.
In den letzten vier Tagen hat Sabine bereits 10 Überstunden angehäuft. Das sorgt nicht unbedingt für Freude bei ihrem Mann, der sich beim Abendessen mittlerweile schon leicht genervt zeigt, weil er sich um den Haushalt kümmern muss. Sabine aber steht ständig unter Strom und schaufelt nur hektisch ihr Essen in sich hinein, während sie sich über ihre Kollegen beschwert.
Bei der Arbeit hat sie eine ganze Tafel Nuss-Nougat Schokolade verputzt und am nächsten Tag erwischt sie sich dabei, wie schon um 9 Uhr die Notfall-Packung Kekse in ihrer Schublade dran glauben muss...
… dieses Muster kennst du vielleicht in ähnlicher Form.
Du fühlst dich gestresst oder unter Druck und versuchst dich abzulenken oder die Anspannung durch Essen in den Griff zu bekommen.
Bist du ein Stress-Esser?
In stressigen Situationen haben wir das Gefühl, mehr Energiebedarf zu haben, den wir hoffen, durch zusätzliche Kalorienaufnahme decken zu können. Außerdem belohnen wir uns gerne dafür, dass wir uns so angestrengt haben.
1 | Essen unter Zeitdruck
Du bist morgens zu spät dran und hast gerade noch Zeit, einen zu heißen Kaffee herunterzuschütten und zwei Bissen von deinem Croissant zu nehmen?
Unter Zeitdruck essen wir schnell, unachtsam und entweder zu viel – oder viel zu wenig.
2| Nächtliche Ess-Anfälle
Leidest du auch unter „Midnight-Snacking“? Gerade Menschen, die aus Stress unter Schlafstörungen leiden, wandern nachts oft noch zum Kühlschrank und naschen, um die nötige Bettschwere zu bekommen.
3| Essen, um runterzukommen
So wie Sabine ihren Süßigkeiten-Konsum überreizt, essen besonders Frauen häufig, um sich zu entspannen oder zu betäuben und um nicht weiter an ihre Probleme denken zu müssen. Diesen Zweck erfüllt auch das Feierabend-Bierchen. Beide haben dieselbe, scheinbar beruhigende Wirkung.
Die Betäubung unserer Gefühle mit Essen und die einsetzende Trägheit setzen wir dabei mit Entspannung gleich. So verankern wir durch tägliche Wiederholung unser bevorzugtes Mittel zur Stressbewältigung fest in unseren Gewohnheiten.
Was kannst du tun? Disziplinierter sein? Klare Regeln aufstellen?
Manche Herausforderungen lassen sich nicht mit Selbstdisziplin, sondern nur mit Selbstfürsorge lösen.
Zum einen kannst du es gar nicht erst so weit kommen lassen, dass deine Akkus so leer werden, dass Stress-Essen dir als einziger Ausweg überhaupt in den Sinn kommt.
Zum anderen kannst du dir selber neue Gewohnheiten antrainieren, sodass dein Unterbewusstsein neue Verknüpfungen bildet und Alternativen zum Essen zulässt.
8 Strategien für Stress-Esser, die helfen zu entspannen.
1. Höre auf die Signale deines Körpers
Dein Körper ist immer noch der beste Signalgeber, um festzustellen, ob etwas nicht in Ordnung ist. Nimmst du seine Hinweise wahr?
Stress-Signale können sein: Verspannungen, Kopfschmerz, Schlafstörungen, Druckgefühle, nervöse Zuckungen, Unwohlsein im Bauch, allgemeine Unlust, Stresspickel und gerötete Gesichtshaut sowie extreme Stimmungsschwankungen.
So hörst du die Signale deines Körpers: Suche dir am besten einen Platz, an dem du ungestört bist und halte einfach mal inne. Spüre in dich hinein – wohin zieht es deine Aufmerksamkeit? Spürst du ein Druckgefühl oder eine Enge? Wo genau?
Unbewusste Reaktionen wie nervöses Augenzucken oder ständiges Scharren oder Zappeln mit den Füßen nimmst du selbst oft schon gar nicht mehr wahr. Daher kann es helfen, dir eine Rückmeldung einer vertrauten Person einzuholen.
Wenn du schon körperliche Stress-Signale bemerkst, schalte unbedingt einen Gang runter. Hinterfrage deinen Tagesablauf und nimm Veränderungen vor.
2. Eins nach dem Anderen
Je mehr du versuchst, alles auf ein Mal gebacken zu bekommen, desto weniger wird dir gelingen. Die Folge: Dein Stress- und Frustrationslevel steigt und du fängst (wieder) an, nebenher und unbewusst zu essen.
Single- statt Multitasking lautet die Devise!
Fokussiere dich auf eine Sache – und mache auch wirklich nur diese EINE. Erst E-Mails beantworten, dann telefonieren. Setze Prioritäten und arbeite eine nach der anderen ab. Was nicht wichtig ist, kann warten – oder gar von der Liste gestrichen werden (glaube mir, das befreit!).
Und: Vergiss nicht, dir genügend Pausen zwischendurch zu nehmen, um durchzuatmen! Gehe bewusst von deinem Arbeitsplatz weg und lass das Handy mal liegen.
Beim Ent-Stressen spielt auch dein Social Media Konsum eine Rolle. Wenn du aus Gewohnheit beim Frühstück durch Instagram scrollst und dich ärgerst, weil die Menschen dort scheinbar ein viel interessanteres, gesünderes und glücklicheres Leben führen als du, solltest du den Pause-Knopf drücken.
Hast du regelmäßig einen Social Media Hangover, weil dich das stresst und unter Druck setzt? Dann probier mal ein Social Media Detox statt grüner Smoothies ;-)!
3. Gehe raus in die Natur
Deine Umwelt beeinflusst dein Stressempfinden. Gerade wenn du in der Stadt lebst, musst du deine Batterien mit viel Grün aufladen. Denn die Natur ist immer noch eines der besten Anti-Stress-Mittel!
Das Grün wirkt entspannend und entschleunigend und auch Sonnenstrahlen auf der Haut steigern dein Wohlbefinden. Deine Laune wird besser und sogar dein Körper profitiert davon: Viele Stress-Esser haben einen höheren Blutdruck. Dieser wird auch positiv beeinflusst durch die beruhigende Wirkung der Natur.
Selbst eine kleine Runde durch den Park oder nur um den Block hilft schon.
Was auch immer für dich am besten funktioniert: Rausgehen entspannt und macht glücklich!
4. Sei achtsam und iss achtsam
Achtsamkeit ist ein großes Thema, wird aber oft nicht mit Ernährung in Verbindung gebracht. Es geht darum, sich bewusst damit auseinanderzusetzen, was man isst, wie man es isst und wie man sich dabei fühlt.
Wer achtsam isst, verändert seine Art der Nahrungsaufnahme und genießt, statt zu konsumieren.
Außerdem hilft achtsames Essen, unkontrollierte Nasch-Attacken zu verhindern. Und gerade die häufen sich, wenn wir gestresst sind.
Um Achtsamkeit zu praktizieren, musst du dich mit deinen Essgewohnheiten auseinanderzusetzen. Beobachte deine Mahlzeiten ab sofort doch mal genauer! Isst du immer das Gleiche? Schlingst du alles in dich hinein? Oder ist Essen nur so ein „Nebenbei-Prozess“, während du durchs TV-Programm zappst oder vor lauter Zeitdruck, mit dem einen Arm schon in den Jacken-Ärmel schlüpfst und auf dem anderen ein schnell geschmiertes Nutellabrot balancierst?
Achtsam essen heißt, das alles zu erkennen und anzunehmen anstatt sich wiederholt über sich selbst zu ärgern und sich anzuklagen, weil man schon wieder eine Tafel Schokolade verputzt hat. Du lernst, deutlicher wahrzunehmen, welche Gefühle und Körperempfindungen dich zum Kühlschrank treiben und kannst so deine Ernährungsgewohnheiten langfristig anpassen.
Wenn dich dieses Thema interessiert, lies gerne noch in diesen Beitrag hinein, wo es auch ein paar praktische Tipps dazu gibt.
5. Sprich deine Sinne an
Wer immer gestresst ist, verliert die Fähigkeit, sich selbst und andere richtig wahrzunehmen. Durch die Anspannung und Reizüberflutung verkümmern unsere Sinne immer mehr. Zeit, sie wieder neu zu beleben!
Ein paar entspannende Sinnes-Aktivitäten für dich:
- Suche das Rezept des Lieblingsgerichts deiner Kindheit heraus, bereite es zu und genieße es nur für dich allein.
- Höre deine Lieblingsmusik. Noch besser: Singe und tanze dazu.
- Lache!
- Mache deine eigene Aromatherapie und lasse dir ein Bad mit einem hochwertigen Öl ein, entzünde Räucherstäbchen oder Kerzen mit deinem Lieblingsduft.
- Mache es dir gemütlich und lies ein Buch, in dem du ganz aufgehen kannst.
- Schließe die Augen und träume vor dich hin oder visualisiere deine Ziele und Wünsche und bring dich damit in eine gute Stimmung.
- Schau dir Urlaubsfotos an und schwelge in Erinnerungen.
- Laufe barfuß und spüre verschiedenste Untergründe unter deinen Füßen.
Indem du offen bist und bewusst Neues erlebst, verdrängst du den Stress aus deinem System. Deine Essgelüste haben dann weniger Chancen, unkontrolliert zuzuschlagen.
6. Setze realistische Ziele - mit Selbstmitgefühl
Nur weil du besonders schnell irgendetwas verändern möchtest, macht es noch lange keinen Sinn, sich mit unrealistischen Zielen zusätzlich unter Druck zu setzen.
Setze deine Ziele so konkret wie möglich und gib dir Lösungsansätze vor, mit denen du es erreichen kannst. Teile es in kleine Etappen ein, die du ohne dich zu quälen erreichen kannst. Mit dem Mut, den du dabei fasst, gelingt es dir besser langfristig dranzubleiben.
Viele Frauen schreiben gerne To-do-Listen. Diese sind aber oft so voll, dass sie schließlich eher genervt aufgeben. Immer sind am Ende noch ein paar Punkte drauf, die nicht erledigt sind. Oder die Liste wächst im Laufe der Zeit immer weiter, anstatt zu schrumpfen.
Packe nicht jeden Punkt auf deine Liste, nur damit du das Gefühl hast besonders „busy“ zu sein. Setze Prioritäten. Wirklich erfolgreich und stressfrei fühlt es sich an, wenn du das schaffst, was du dir vorgenommen hast – und daraus Zufriedenheit ziehst.
7. Lerne "nein" zu sagen
„Nein“ zu sagen ist die Königsdisziplin für ein stressfreies Leben. Denn es fällt den meisten von uns extrem schwer.
Wie oft übernehmen wir noch eine Gefälligkeit oder die Aufgabe des Kollegen mit, obwohl wir selber schon ziemlich am Anschlag sind?
Der Grund ist größtenteils unser Harmoniebedürfnis. Lieber einmal zu viel „ja“ gesagt, als möglicherweise jemanden vor den Kopf zu stoßen.
Indem du hin und wieder mal ablehnst, sorgst du für dich selbst - nämlich genau dann, wenn der Wunsch einer anderen Person dich stresst oder an deine Reserven geht. In so einem Fall „nein“ zu sagen, geht nicht gegen den Anderen, sondern schützt deine eigene Gesundheit.
8. Atme und meditiere
In unangenehmen Situationen bleibt uns hin und wieder die Luft weg. Wir vergessen zu atmen, während unser Gehirn auf Hochtouren läuft, nach einer Lösung für ein Problem sucht und uns der Schweiß ausbricht.
Das zeigt, dass unsere Atmung wichtiger ist, als uns normalerweise bewusst ist. Gerade in Stresssituationen verfallen wir schnell in eine flache Atmung, was uns noch hektischer macht.
Wenn wir uns darauf konzentrieren bewusst ruhig und tief zu atmen, ist das schon eine Sofortmaßnahme, um uns kurzfristig zu beruhigen.
Wenn du insgesamt entspannter und bewusster leben möchtest, kann es eine große Hilfe sein, dir eine Meditationspraxis anzueignen.
Ja, Meditation beherrscht man nicht sofort. Lass dich davon aber nicht abschrecken, denn: Jeder kann meditieren lernen. Es braucht etwas Zeit und Übung, aber es ist machbar!
Vom Stress-Esser zum achtsamen Esser.
All diese Tipps haben eine gemeinsame Basis: Deine Selbstfürsorge.
Dazu gehört vor allem auch nach innen zu gehen und dich zu fragen:
Was genau stresst mich?
Kann ich die Situation oder meinen Umgang damit ändern?
Welche wiederkehrenden Muster bemerke ich bei mir im Umgang mit Stress?
Es ist nicht die Last, die dich bricht. Es ist die Art, wie du sie trägst.
Lass dich aber bitte nicht zusätzlich von dem Gedanken „Ich muss sofort mit diesem Stress-Essen aufhören“, stressen!
Wichtig ist in dieser Situation nicht auch noch deine Essgewohnheiten durch Verbote oder strengen Verzicht zu kontrollieren. Das sorgt für zusätzlichen Druck, schlechtes Gewissen und Schuldgefühle und führt damit am Ende in einen Teufelskreis.
Versuche deinen Stresslevel so gut es geht zu senken und langfristig deine Muster bei der Stressbewältigung zu verändern. Das entlastet auch dein Essverhalten deutlich, weil Essen dann nicht mehr die Rolle des Stressbewältigers spielen muss.