Du kannst dir natürlich Strategien überlegen, wie du mitten im Drama den Kopf noch gerade zwei fingerbreit über Wasser hältst. Oder wie du deine Gefühle ohne dein übliches Betäubungsverhalten - Essen, Trinken, Shoppen, Zocken etc. -  wieder auf Spur bekommst. Langfristige Erleichterung bekommst du erst, wenn du dir deinen Umgang mit Gefühlen näher ansiehst. 

Am Ende gehören die meisten unserer Maßnahmen in die Kategorie Notfallplan. Gut als erster Schritt, um nicht abzusaufen, aber eben auch nur ein Reagieren auf das Auftauchen von Symptomen.

Die Frage ist aber auf lange Sicht nicht: Was kann ich statt zu essen tun, wenn es wieder so weit ist?


Sondern: Wie kann ich den Umgang mit Gefühlen verändern, damit emotionale Notfälle eben nicht mehr auftreten?

Wir denken eigentlich alle, dass wir die Einzigen auf der Welt sind, die Ängste haben, uns hin und wieder vollkommen allein fühlen oder manchmal ohne Grund traurig sind. Dann fühlen wir uns wie Aliens und schämen uns für das, was wir spüren.

In Wirklichkeit ist es doch aber so, dass wir alle nicht perfekte Menschen in einer nicht perfekten Welt sind. Und das führt zwangsläufig auch zu Gefühlen, die wir als überflüssig, störend und unangenehm empfinden.

Das zu erkennen, macht es schon mal einfacher. Sich zu fragen, wie man einen anderen Weg findet, damit umzugehen, lohnt sich und macht einem das Leben leichter.

Es lohnt sich, deinen Umgang mit Gefühlen zu überprüfen. 

1. Du lernst etwas über dich

Du erkennst deine Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte deutlicher. Und du spürst, wo deine Grenzen sind, wie du dich nicht fühlen und was du nicht erfahren möchtest.

Du erkennst die Lücke zwischen dem, was gerade ist und dem, was du dir wünschst. 

2. Sie verlieren ihren Schrecken

Je weniger du deine Gefühle verleugnest und unterdrückst, desto mehr verlieren sie an Kraft.

Wenn du die Erfahrung machst, wie ein unangenehmes Gefühl schwächer wird, wenn du es tatsächlich spürst, verlierst du langsam deine Angst davor und machst dir weniger Sorgen.

Damit schaukelt sich eine negative Stimmung nicht mehr so leicht hoch.

3. Sie können dich nicht mehr unbewusst kontrollieren

Alles was du dir bewusst machst, kann dich nicht mehr unbewusst steuern. Das ist der erste und notwendige Schritt zu einem anderen Umgang mit Gefühlen und dazu, deine inneren Automatismen loszulassen.

4. Weniger Stress - mehr Entspannung

Durch die abnehmende Intensität alter, in deinem Körper über Jahre gespeicherter Gefühle, fühlst du dich weniger gestresst und gehst auch nicht mehr bei jeder Kleinigkeit emotional unter die Decke.

Weniger mögliche Triggerpunkte führen zu mehr Ausgeglichenheit, mehr Widerstandskraft gegen Stress und dadurch langfristig auch körperlicher Gesundheit. 

5. Weniger Selbstverurteilung - besseres Selbstwertgefühl

Du bewertest dich selber weniger streng, weil du weißt, dass es völlig normal ist auch mal negative Emotionen zu haben.

Weil es dir nicht mehr unangenehm oder peinlich ist, kannst du dich selbst besser annehmen und siehst keinen Grund mehr dich ständig zu bekämpfen. 

Ok, soweit mein Plädoyer für das emotionale Tieftauchen ;-).

Aber wie genau soll man ein Verhalten ändern, dass man über Jahrzehnte kultiviert und ritualisiert hat? Es ist machbar. 

Hier sind meine Anregungen, mit denen du deinen Umgang mit Gefühlen im Alltag verbessern und belastende Gefühle leichter loslassen kannst. 

Raus aus dem Gefühlschaos - so veränderst du deinen Umgang mit Gefühlen.

1 | Lasse sie zu - drücke sie nicht sofort weg

Irgendwie gilt es ja in unserer Gesellschaft als besonders stark, wenn man “sich nichts anmerken” lässt.

Vor allem im Job kommt man am besten klar, wenn man belastbar, unkompliziert und frei von persönlichen Grenzen ist. Das ist ein perfektes Training zum Meister im Nichts-Anmerken-Lassen.

Das macht den Umgang mit dir natürlich sehr unkompliziert, weil du ja nicht zimperlich bist. Diese Art der Anpassung hat aber auf längere Sicht mehr Nach- als Vorteile. 

Du wirst immer besser im Einstecken, aber auf der anderen Seite kompensierst du den Druck wahrscheinlich durch abendliches Essen, Trinken oder dein persönliches Betäubungsritual.

Werde dir bewusst darüber was du wirklich fühlst, auch wenn du damit weniger unkompliziert für andere wirst. Und erkenne, welche Auswirkungen diese Gefühle auf dein Leben haben. 

2 | Guck mal, wer da fühlt 😉

Hast du dich auch abends schon mal niedergeschlagen oder traurig gefühlt, obwohl es dir morgens noch gut ging? Dann geh deinen Tag in Gedanken noch einmal durch und überlege, wo dir dieses Gefühl begegnet ist.

Ich habe festgestellt, dass in solchen Fällen häufig im Laufe des Tages jemand mir im wahrsten Sinne "sein Herz ausgeschüttet" hat. In einem Übermaß an Mitgefühl, habe ich diese Gefühle dann unbewusst übernommen und zu meinen eigenen gemacht.

Diese Art von unangenehmen aber fremden Gefühlen, sind am leichtesten loszulassen. Meist reicht hier schon die Erkenntnis aus, dass es nicht deine sind und du spürst sofort Erleichterung.

Achte darauf, in solchen Gesprächen Mitgefühl zu zeigen, aber nicht mit einem Köpper vom Beckenrand in die Situation des anderen einzutauchen und mit ihm in seinem Leid zu baden.

Denn geteiltes Leid ist dann doppeltes Leid - da hat keiner was von.

3 | Raus damit: Sprich es aus.

Solange du dir nicht bewusst machst, welche Emotionen dich tatsächlich jeden Tag begleiten, sondern immer nur so ein diffuses, unangenehmes Gefühl im Bauch mit dir herumschleppst, haben automatische Verdrängungsmechanismen freie Bahn.

Das ändert sich, wenn du versuchst Worte für das zu finden, was du in dir trägst.

Neigst du dazu, bei diffusen, unangenehmen Gefühlen mit Heißhunger zu reagieren? Oder hast du keine Ahnung, welches Gefühl deine Essgelüste auslöst? Dann lade dir hier meinen Heißhunger-Selbsttest herunter.

Er hilft dir, unbewusste Verknüpfungen sichtbar zu machen. 

Bloggrafik Selbsttest Heißhunger

Ist es Ärger, Wut, Zorn, oder wie heißt es ganz genau?

Gibt es noch ein weiteres Gefühl, was sich dahinter versteckt?

Bist du z.B. wütend, weil du dich ohnmächtig fühlst?

Steckt hinter der Traurigkeit am Ende eine Angst?

Es hilft dir, wenn du deine eigenen Begriffe findest, die deine Empfindungen genau beschreiben. Sprich mit jemandem darüber, dem du vertraust oder schreib es dir von der Seele. Das bringt dir mehr Klarheit.

Aber achte darauf, das mit der Absicht zu tun, deine Erkenntnisse zu verbessern und eine neue Sichtweise zu gewinnen.  


Es geht nicht darum, sich zu beschweren, zu lamentieren und gemeinsam das Gefühlschaos noch zu verstärken. Es geht um Bewusstheit als ersten Schritt zur Veränderung. 

Es wird immer gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht.
Hermann Hesse

4 | Geh nach innen

Es gibt einen Effekt, der mit zu diesem Thema wirklich die Augen geöffnet hat.

Wenn man das einmal ausprobiert hat, ändert man seine Einstellung zum Umgang mit Gefühlen komplett.

Probiere das mal mit einem unangenehmen, aber nicht allzu alten Gefühl aus.


Also am besten etwas, dass am selben Tag passiert ist.

Wie der Ärger über eine unfreundliche Kassiererin im Supermarkt oder den Drängler auf der Autobahn oder was dich sonst so aus dem Gleichgewicht bringt, aber keine schon allzu lange Geschichte für dich hat.

Geh irgendwo hin, wo du ungestört bist. Setze dich und schließe die Augen. Versuche dann das Gefühl in deinem Körper zu finden. Wo spürst du einen Druck, ein Ziehen oder eine Spannung?

Dann gehe mit deiner vollen Aufmerksamkeit genau da hin. Du kannst zur Unterstützung deine Hände auf die Stelle legen. Das hilft dir, deine Aufmerksamkeit dort zu halten.

Nach einiger Zeit merkst du wahrscheinlich, dass das Gefühl an eine andere Stelle wandert, verfolge es einfach weiter mit deiner Aufmerksamkeit.

Wahrscheinlich wird dieser Prozess einige Zeit dauern. Fühle es einfach so lange, bis sich nichts mehr verändert und du das Gefühl nicht mehr lokalisieren kannst.

Die Erfahrung, dass ein negatives Gefühl an Intensität verliert und sich am Ende auflöst, wenn du ihm deine volle Aufmerksamkeit schenkst, war für mich eine der größten Erkenntnisse überhaupt.
 

5 | Erkenne den Ursprung

Wenn wir unangenehme Gefühle haben, sind das in der Regel nicht jedes Mal andere und oft auch keine unbekannten. Du hast also eine Tendenz in eine bestimmte Richtung.

Bist du eher traurig, ängstlich oder wütend?

In welchen Situationen spürst du dieses Gefühl am deutlichsten? Woher kennst du es?

Wann hast du es zum ersten Mal gespürt?

Ist es der Situation angemessen?

Es gibt Ereignisse, die lassen uns relativ kalt und andere, bei denen wir sofort unter die Decke gehen. Da reicht ein falscher Blick deines Gegenübers und du bist auf 180.

Wenn du ehrlich zu dir bist und dir eingestehst, dass du auf einem Gebiet besonders leicht zu “triggern” bist, eröffnest du dir selbst einen Weg heraus.

Dann kannst du Verantwortung übernehmen und bekommst die Macht, diesen Auslöser zu erkennen.

Überlege, welche andere, ältere Situation in dir wachgerufen wurde. Häufig sind das Situationen, die uns an Konflikte mit unseren Eltern oder verhassten Lehrern in der Schule erinnern.

Dann ist das der Punkt, an dem du das Ursprungsgefühl findest, dass du loslassen kannst, um in Zukunft anders reagieren zu können.

Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, leben muss man es aber vorwärts. 

Søren Kierkegaard

6 | Welche Klarheit steckt darin? - Entschlüssele die Botschaft.

Wenn dir bewusst wird, dass du verletzt bist und jemand ohne Einladung deinen Vorgarten zertrampelt und verwüstet hat, steckt da ja eine klare Botschaft drin: Es gibt Bedarf für einen Zaun.

Du musst dir selbst erstmal klarmachen, was du akzeptieren kannst und was nicht. Ab wo ist Schluss und wo beginnt eigentlich dein Tanzbereich?

Wenn du einen Raum hast, den du für dich beanspruchst, weiß der andere auch, ab wann es ernst wird.

Um die Botschaft besser zu verstehen, frage dich: Was würdest du jemand Fremden raten, der diese Gefühle hat? Was kann er aus seiner Situation für die Zukunft lernen?

Gefühle von Anspannung, Überforderung und anhaltendem Stress zeigen dir auch, wovon du weniger in deinem Leben haben möchtest und wovon mehr.

Nimmst du sie wahr und gestehst ihnen ihre Rolle als Wegweiser zu, dann kannst du genau da ansetzen, um deine Stimmung langfristig zu verbessern.

Umgang mit Gefühlen Pinterest

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3 Strategien, um deine Stimmung dauerhaft zu verbessern

# 1 Hör auf, die alten Platten aufzulegen

… vor allem die, die schon mehr als einen Sprung haben.

Von den bis zu 60.000 Gedanken, die wir täglich so nebenher durch unseren Kopf jagen, sind die allermeisten nicht nur negativ, sondern auch nicht neu.

Häufig spielen dabei Erfahrungen aus der Vergangenheit eine Rolle. Enttäuschungen, Verletzungen, vermeintliche Fehler, die wir begangen haben.

Wann es Zeit ist, loszulassen?

Wenn irgendwann alles gesagt ist und jeder Gedanke schon mal gedacht wurde. Dann bringen die verkratzten Platten dich nicht weiter.

Oder hast du die Chance, die Situation noch zu verändern, indem du ständig darüber nachdenkst und immer wieder in diesen Gefühlen badest?

Wenn du dich nicht gut fühlst, achte auf deine Gedanken. Sobald du bemerkst, dass wieder die alte Leier losgeht, entscheide dich, dich selbst nicht weiter zu verletzen und lenke deine Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment.

Sage dir einfach: Dies ist ein alter Gedanke, der mich nicht mehr weiter bringt. Ich entscheide mich dafür, dieses Thema ruhen zu lassen.

Dann widme deine volle Aufmerksamkeit etwas, das dich in die Gegenwart zurückbringt.

Das kann ein Geräusch, wie ein Vogelzwitschern oder ein Geruch oder Geschmack dessen, was du gerade isst, sein.

# 2 Lasse deine Emotionen Wegweiser zur Veränderung sein

Deine Gefühle sind keine persönliche Schwäche, die du bekämpfen oder in den Griff kriegen musst.

Frage dich, worauf sie dich hinweisen?
Was kannst du aus ihnen lernen?
Worauf machen sie dich aufmerksam?

Es gibt bestimmt auch in deinem Leben Ereignisse, die zunächst sehr negativ und schmerzhaft waren, die dich aber zu einer Wendung geführt haben, die du sonst nie erlebt hättest.

Du wärst heute nicht derselbe Mensch, wenn das damals nicht passiert wäre.

Halte das im Hinterkopf, wenn es mal wieder unangenehm wird. Schau dir deine Gefühle genau an.

Sie sind Teil deiner inneren Welt - und vor allem die unangenehmen sind eine Art Signalgeber, die du nutzen kannst, um genau die Veränderungen umzusetzen, die dir in Zukunft dein Leben erleichtern und dich besser fühlen lassen.

Besser fühlen

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# 3 Verstärke die Wirkung positiver Gefühle

Komischerweise sind es ja meist die negativen Dinge, die so täglich ihre Kreise in unserem Denken ziehen.

Nur 3 % unserer 60.000 täglichen Gedanken sollen unterstützende und aufbauende sein.

Und das wird wahrscheinlich nicht besser, je älter man wird, denn es kommt ja immer mehr dazu, was man bereuen und betrauern kann.

Auf der anderen Seite ist da natürlich enorm viel Luft nach oben ;-).

Das heißt, du kannst dich entscheiden, diesen Anteil positiver Gedanken zu stärken.

Lenke deine Aufmerksamkeit so oft es geht auf die Dinge, die dich glücklich machen, bei denen du die Welt um dich herum vergisst. 

Worauf bist du besonders stolz?

Was sind aus deiner Sicht deine größten Erfolge gewesen?

Wofür bist du dankbar?

Was hast du schon erlebt, das andere noch auf ihrer Wunschliste stehen haben?

Erkenne und feiere dein tägliches Glück und bade so oft wie möglich in den schönen Momenten.

Fazit - ein neuer Umgang mit Gefühlen

Wenn dein über Jahre praktiziertes Ritual dir signalisiert, deine Wut, Enttäuschung, Ohnmacht oder Angst beiseite zu schieben und dein Gefühl zu betäuben, kannst du dich entscheiden, diesen inneren Automatismus zu verändern.

Negative oder unangenehme Gefühle sind keine Schwäche, die du vor dir selbst verstecken musst. Sie sind bereits ein Teil von dir und in ihnen steckt das Potenzial für eine echte Veränderung.

Durch Bewusstheit und einen anderen Umgang mit Gefühlen kannst du deine vermeintliche Schwäche in eine Stärke verwandeln.

Du reduzierst nicht nur dein Vermeidungsverhalten wie Essen, Trinken oder Einkaufen, sondern gibst dir selbst die Macht, deine Stimmung und dein Lebensgefühl positiv zu beeinflussen.

Mit diesem Artikel nehme ich an der Blogparade "Umgang mit Gefühlen" von Rosina Geltinger teil. (www.rosinageltinger.de/blogparade)

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Martina Aust
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