Was ist achtsames Essen eigentlich?
Wie oft am Tag nimmst du eine Mahlzeit zu dir?
Da sind Kaffee und Brötchen morgens in der Bahn, der Salat, den du während deiner Mittagspause am Schreibtisch verzehrst und abends vielleicht noch was schnell aufgewärmt oder Takeaway zum Fernsehen.
So weit, so gut.
Und wie oft nimmst du bewusst eine Mahlzeit ein? Wann hast du zum letzten Mal nichts anderes getan, als zu essen? Nicht vor dem Fernseher, nicht in der Bahn auf dem Weg ins Büro, nicht im Stehen neben dem Kühlschrank, sondern an deinem Esstisch sitzend?
Wie wir essen, sagt uns viel mehr darüber, wie achtsam wir leben, als wir denken.
Was ist eigentlich Achtsamkeit?
Kurz gesagt geht es darum, sein Leben im Hier und Jetzt zu leben; präsent zu sein. Viele alltägliche Dinge nehmen wir gar nicht mehr wahr, weil sie zur Routine geworden sind (z.B. den immer gleichen Weg zur Arbeit oder das tägliche wahllose Essen in der Firmenkantine).
Achtsamkeit steigert unsere Aufmerksamkeit und zielt darauf ab, nicht zu beurteilen, sondern einfach anzunehmen, was auch immer kommen mag.
Damit stärkt Achtsamkeit unser Wohlbefinden und besonders achtsames Essen kann dabei helfen, unser gesamtes Essverhalten positiv zu verändern.
Achtsam essen ist keine Diät.
Es geht vielmehr darum, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu erforschen und sich bewusst mit dem Essen auseinanderzusetzen. Das passiert ohne Druck, ändert das Essverhalten aber dauerhaft.
Folgende Punkte sind entscheidend:
- Deine Ernährung wird nicht von jetzt auf gleich, sondern auf sanfte Weise verändert
- Kämpfe dabei nicht gegen die eigenen Bedürfnisse an, sondern führe die Veränderung in Harmonie mit dem Körper und den eigenen Gefühlen durch
- Kein Plan, keine Regeln – es zählen allein dein Bauchgefühl und dein Herz
Drei Gründe, warum achtsames Essen dein Essverhalten verändert:
1. Verbesserte Selbstwahrnehmung
Wirklich bei einer Sache zu sein, verbessert automatisch die Wahrnehmung.
Versuche doch einmal, beim Essen darauf zu achten: Nimm dir die Zeit, betrachte deine Mahlzeit genau. Wie sieht sie aus? Kaue; schmecke und fühle, wie du jeden einzelnen Bestandteil isst.
Wie ist die Konsistenz? Wie schmeckt es? Konzentriere dich nur darauf, was du beim Essen wahrnimmst, bis du fertig bist.
So spürst du auch viel deutlicher, was dir gutgetan hat und was nicht.
Was hinterlässt einen unangenehmen Druck im Magen? Bei welcher Menge ist die Grenze zum Schnitzelkoma erreicht, das dich in die Knie zwingt und für Stunden bewegungsunfähig macht?
2. Entschleunigung deiner Essgewohnheiten
Beim achtsamen Essen geht es auch darum, dem Essen eine neue Bedeutung zu geben und die üblichen Ablenkungen auszublenden.
Wann isst du?
Wie oft?
Wie viel Zeit nimmst du dir dafür?
Was machst du noch parallel zum Essen? Telefonieren? Lesen? Handy checken?
Wie oft kaust du jeden Bissen?
Wenn du anfängst, dich voll und ganz auf die Mahlzeiten zu konzentrieren, bekommen sie einen anderen Stellenwert. Du bist dann wirklich da und nimmst auch deinen Hunger und dein Sättigungsgefühl mit der Zeit viel deutlicher wahr.
3. Neuer Umgang mit Gefühlen
Wahrscheinlich steuern deine Gefühle dein Essverhalten mehr oder weniger stark.
Deshalb kannst du über einen veränderten Umgang mit deinen Gefühlen dein Essverhalten verändern.
Wie gehst du mit Gefühlen um?
Verdrängst du sie?
Oder lässt du sie zu?
In welchen Gefühls-Zuständen isst du besonders viel?
Wenn du z. B. genau weißt, dass du eine Tafel Schokolade in stressigen Momenten in Nullkommanichts verspeist, frage dich: Was stresst mich besonders?
Gäbe es einen anderen Weg, diese Gefühle zu verarbeiten?
Setze da an und überlege dir Alternativen. Je genauer du hinsiehst und hinspürst, desto weniger Gefahr läufst du plötzlich vor einer leeren Packung Schokolade oder Chipstüte zu sitzen und dich zu fragen, was eigentlich in den letzten 15 Minuten passiert ist.
So kannst du deine Ernährungsweise von unbewusst zu achtsam und damit bewusst umstellen. Das benötigt ein bisschen Zeit, der ein oder andere AHA-Moment ist dir aber sicher.
Achtsames Essen reduziert Stress und stärkt deine Selbstwahrnehmung. Es hilft dir dein Essen mehr zu genießen, schneller satt zu werden und auf Dauer weniger zu essen.
Wie finde ich eine achtsame Haltung beim Essen?
- Du nimmst deinen Körper und deine Gefühle aktiv wahr und hörst auf deine Bedürfnisse.
- Du bewertest Lebensmittel nicht in gut und schlecht oder gesund und ungesund. Du bleibst neutral, beobachtest und nimmst wahr.
- Du bleibst liebevoll mit dir selber, wenn du merkst, dass es nicht so funktioniert, wie du es dir vorgestellt hast.
Welche Gedanken und Bewertungen hast du regelmäßig zu deinem Essverhalten?
Isst du zu viel oder zu maßlos?
Isst du generell eher undiszipliniert?
Müsstest du eigentlich gesünder, kontrollierter - einfach besser essen, schaffst es aber nicht?
Machst du dich deshalb in Gedanken immer wieder fertig?
Achtsam sein heißt, diese inneren Dialoge zu bemerken und sie vorbeigehen zu lassen. Oft straft man sich selbst, weil man solche Gedanken überhaupt zulässt. Das verstärkt den Dialog noch und dreht ihn lauter.
Versuche ihn nicht zu stoppen, sondern nur zu beobachten, bis er von alleine seine Kraft verliert. Führe dir immer vor Augen, dass das nur deine Grübeleien sind, keine feststehenden Tatsachen!
Achtsamkeit fördert deine Impulskontrolle
Kennst du auch diese Naschreue? Wenn dir plötzlich klar wird, was du schon alles wahllos hintereinander gegessen hast und du gar nicht mehr genau nachvollziehen kannst, wie es dazu kann.
Geschweige denn, dass das Ganze irgendetwas mit Genuss zu tun hatte.
Auch da hilft Achtsamkeit weiter: Je bewusster du dir deine Gefühle machst und beobachtest, welche Emotionen bei dir zu Essimpulsen führen, desto mehr Raum verschaffst du dir, um eingreifen zu können.
Unangenehme Gefühle verschwinden nicht, indem du sie runterschluckst. Auf Dauer müssen sie stärker werden, um sich Gehör zu verschaffen.
Wenn du in den Widerstand gehst, kämpfst du gegen deine Gefühle - und kannst nur verlieren. Trau dich, sie wahrzunehmen, selbst wenn sie erst einmal unangenehm sind.
Sobald deine Gefühle nicht mehr automatisch zu Essimpulsen führen, fängst du von ganz alleine an, anders und weniger zu essen.
Achtsames Essen: Übungen und praktische Umsetzung
Jetzt denkst du vielleicht: Das ist ja alles schön und gut, aber wie soll man das umsetzten, wenn man nicht in einem buddhistischen Kloster lebt?
Hier zwei Anregungen für den Einstieg:
1. Nur einmal am Tag
Probiere doch mal über einen gewissen Zeitraum (z. B. eine Woche), eine Mahlzeit am Tag achtsam zu dir zu nehmen.
Dabei ist egal, welche – es muss nur gut für dich umsetzbar sein. Wenn du z. B. morgens viel Zeit hast, könntest du dich auf ein achtsames Frühstück konzentrieren.
Oder kochst du immer am Abend frisch? Dann widme dich schon bewusst dem Kochvorgang und lass dir dein selbstgemachtes Essen danach schmecken.
Wo kommen die Zutaten her?
Wie sehen sie aus?
Wie riecht es?
Wie schmeckt jedes einzelne Produkt?
Wie verändert sich der Geschmack beim Kauen in deinem Mund?
Wann genau tritt dein Sättigungsgefühl ein?
2. Der erste Bissen
Praktiziere Achtsamkeit nur beim jeweils ersten Bissen. Atme vor der Mahlzeit mehrmals tief durch. Nimm den Duft der einzelnen Zutaten intensiv wahr.
Genieße den ersten Bissen der Mahlzeit besonders ausgiebig und schmecke alle Nuancen bewusst.
Leg danach das Besteck kurz zur Seite, atme noch einmal ruhig ein und aus und iss danach so weiter, wie es sich für dich am besten anfühlt.
Das lässt sich sogar in den stressigen Arbeitsalltag einbauen. Kurz innehalten, nicht reden und die Personen um dich herum ausblenden – das ist sogar in der Kantine möglich.
Probiere es ruhig aus. Niemand wird dich deshalb schräg anschauen.
Wenn du damit gut klargekommen bist, kannst du achtsames Essen in deinem eigenen Tempo weiter ausbauen. Sobald du die positiven Veränderungen bemerkst, wird es leichter gehen und du bekommst zusätzliche Motivation.
Du hast Spaß daran, noch weitere praktische Übungen auszuprobieren? Dann findest du in diesem Artikel von mir noch mehr Anregungen dazu: Bewusster essen und gesünder essen: Diese 4 einfachen Übungen helfen dir dabei.
Hört sich alles sehr langwierig und anstrengend an?
Zugegeben, das ist nicht der „10 Kilo in drei Wochen“ – Weg.
Wenn du daran aber sowieso nicht mehr glaubst, kannst du mit Achtsamkeit langfristig deutlicher wahrnehmen, welche Gefühle und Körperempfindungen dich zum Kühlschrank treiben, während des Essens begleiten und danach spürbar sind.
Auch wenn das keine sofort sichtbaren Erfolge bringt, ist das doch der erste und wichtigste Schritt.
Nur mit diesen Erkenntnissen kannst du die nächsten Schritte gehen, um den Ursachen für deine Essmuster auf die Spur zu kommen.
Das ist der Weg, der nicht nur spürbare, sondern vor allem auch dauerhafte Veränderungen bringt. Und genau das kann die Hauruck-Frühjahrsdiät eben nicht.