„Hallo Martina, die eine Frage, die ich mir jeden Abend stelle, ist, wieso ich mir und meinem Körper dieses unangenehme Völlegefühl immer wieder antue, obwohl ich eigentlich satt bin, aber sobald ich was zu essen seh, esse ich, sogar die Dinge, die mir eigentlich nicht mal schmecken.“ 

„Warum bin ich es mir nicht wert, mich liebevoll und regelmäßig um meine Ernährung zu kümmern?“

Vielen Dank für diese Frage. Sie ist allerdings nicht so ganz leicht in einem oder zwei Sätzen zu beantworten. Schuldgefühle nach dem Essen entstehen aufgrund innerer Überzeugungen, die man durchaus infrage stellen kann.

Aber damit nicht genug: Sie verstärken dein unerwünschtes Verhalten auch noch zusätzlich.

Deshalb gib mir ein paar Minuten Zeit und lass mich ein wenig ausholen.

Wenn du dir diese oder ähnliche Fragen regelmäßig stellst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du Schuldgefühle nach dem Essen hast:

Warum tue ich mir das an? Warum kann ich nicht konsequent sein?

Schuldgefühle nach Essen

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Wie kommst du zu der Überzeugung, dass du dir selbst etwas antust? Du hast eine gewisse Vorstellung davon, wie du dich am besten verhalten, also ernähren solltest. Nämlich so, wie man es im Allgemeinen als „gesund“ oder „richtig“ bezeichnet.

Das Regelwerk hinter diesen beiden Begriffen wird laufend verschärft, sodass es fast unmöglich wird, sie noch alle einzuhalten. Kaum bleibt noch etwas übrig, was keine Schuldgefühle nach dem Essen hervorrufen würde.   

Auf der anderen Seite entspricht dein eigenes Verhalten trotz deines Wissens über Ernährung offensichtlich so gar nicht dem, was du in deinem Kopf geplant hast.

Zu viel, zu unachtsam, gestopft, maßlos, nur Mist, kein Sättigungsgefühl

Auch wenn ich die Details deiner persönlichen Situation nicht genau kenne, kann ich dir beschreiben, welche Überzeugungen meiner Meinung nach zu diesem Gefühl des Versagens bei deiner Selbstfürsorge führen.

Und du wirst am Ende aufatmen können: Es sind in der Regel Missverständnisse.

Schuldgefühle nach dem Essen: 3 Irrtümer als Ursache

1 | Du entscheidest, was du in welcher Menge isst.

Das ist natürlich richtig. Du bist verantwortlich und niemand anderer.

Du bist aus dem Alter raus, in dem man gefüttert wird, und vermutlich stellt dir auch niemand anderer die Portionen hin und zwingt dich alles aufzuessen.

Aaaber: Die Vorstellung, dass wir alle unsere Entscheidungen frisch und frei nach den besten Argumenten aus dem Verstand heraus treffen, ist nicht richtig.

Die meisten alltäglichen Abläufe beherrschen wir sozusagen im Schlaf, also aus dem Unterbewusstsein heraus.

Hier sind alle sich wiederholenden Handlungen abgespeichert und wir bekommen bei jeder Herausforderung im Bruchteil einer Sekunde, die bisher am besten bewährte Vorgehensweise vorgeschlagen.

Nicht nur das: Wir haben sie oft auch schon umgesetzt, bevor der Verstand überhaupt die Chance hatte, das nochmal zu überprüfen.

Wir bewegen uns im berühmten Autopilot-Modus.

Und das ist in den meisten Fällen etwas sehr Hilfreiches, denn es spart eine Menge Zeit und Hirnschmalz. Wenn wir für jede sich täglich wiederholende Entscheidung die Risiken völlig neu abwägen müssten, wären wir wahrscheinlich schon mittags komplett erschöpft.

Deshalb ist es aber auch so schwierig, Gewohnheiten zu ändern. Es ist eben nicht nur eine Entscheidung, die man jedes Mal neu trifft. 

Vielmehr ist es ein weitgehend automatisierter Prozess, der so schnell gestartet und wieder beendet ist, dass wir in den Ablauf nur schwer eingreifen können.

Schon gar nicht, wenn er, wie beim Essen sehr häufig durch einen emotionalen Auslöser, gestartet wird.

Eine über Jahre oder Jahrzehnte entstandene Prägung kannst du nicht so schnell durch eine neue Entscheidung ändern.

Soweit das erste Argument der Verteidigung.

2 | Gesundheit ist das Wichtigste im Leben.

Das sagt man ja oft. Und je älter man wird, desto mehr Bedeutung bekommt das körperliche Wohlbefinden. Sagt man auch.

Also warum isst du dann mehr als dir guttut oder das, von dem du weißt, dass du es nicht gut verträgst?

Weil das Essen dir traditionell hilft, andere, noch wichtigere Ziele zu erreichen.

Und vor allem solche, die aus Sicht deines Unterbewusstseins deutlich dringlicher sind.

Gesundheit ist über Essen ja eher mittel- bis langfristig zu erreichen - zumindest fühlst du dich nicht sofort gesund und fit, sobald du nur einmal „das Richtige“ gegessen hast.   

Was sollte also wichtiger sein als Gesundheit? Wie wäre es mit Schmerzvermeidung?

Wenn das Essen dir hilft, einen akuten unangenehmen Zustand in dir zu bewältigen, ist das in dem Moment mehr wert. 


Egal, ob er nur kurzfristig betäubt oder durch eine Stimmungsveränderung auf später verschoben wurde. Du bekommst einen sofortigen Effekt.


Das ist der Spatz in der Hand, für den man die Taube auf dem Dach erstmal ziehen lässt.

3 | Es geht darum, die Kontrolle zu behalten.

Wir haben gelernt, dass wir brav, fleißig und diszipliniert sein müssen. Und wenn es Regeln gibt, müssen die selbstverständlich auch eingehalten werden.

Beim Essen gibt es eine Menge davon. Du kennst die meisten davon selbst, hast sie wahrscheinlich auch schon ausprobiert, deshalb zähle ich sie nicht alle nochmal auf.

In den meisten anderen Lebensbereichen kann man mit Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung einiges ausrichten und ist so oft auch erfolgreich.

Man schafft es mit einer gewissen Kraftanstrengung dann ganz gut, die eigenen und fremde Erwartungen zu erfüllen.

Nur das Essen macht dir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. 

Es zeigt dir eine lange Nase, wie um dir zu beweisen, dass du nicht ALLES über Kontrolle und Disziplin lösen kannst.

Wenn Essen zur einzigen Form deiner Selbstfürsorge wird, musst du folglich darüber alle die Bedürfnisse befriedigen, die du überall anders so stark unterdrückst.

Dann wird der Drang zu essen so groß, dass du nicht mehr widerstehen kannst.

Drehst du die Kontrolle daraufhin noch weiter auf, egal wie erfolgreich du damit bist, deckt das nicht die Bedürfnisse, die du mit Essen stillen wolltest.

Im Gegenteil, es macht die Not nur noch größer.

Kontrolle ist so wichtig für uns, weil wir glauben, dadurch unsere Ängste in Schach halten zu können. Wir hoffen darüber endlich Ruhe zu bekommen. Denn Angst steht für Leid und Schmerz und damit genau den Zustand, den wir mit aller Kraft verhindern wollen.

Angst lässt sich langfristig aber nicht durch Kontrolle, sondern nur durch Vertrauen heilen.

Und dieses Vertrauen kann man nicht durch einen Kraftakt herstellen, sondern nur durch eine innere Entwicklung.

Wenn wir den Glauben an uns selbst und unsere Fähigkeit intuitiv die richtigen Entscheidungen zu treffen, zurückbekommen, benötigen wir keine Kraft mehr, um gegen uns selbst anzukämpfen. 

Schuldgefühle nach dem Essen beenden: Erste Schritte zu einem neuen Essverhalten

Nur, dass wir uns richtig verstehen: Diese drei Argumente zu deiner Verteidigung sollen dir helfen, deine Schuldgefühle nach dem Essen loszuwerden.

Das heißt aber nicht, dass du gar nichts machen kannst, um deine Situation zu verbessern.

Du kannst zwar an deinem Unterbewusstsein und seine Funktionsweise nichts ändern, du kannst aber mit diesem Wissen arbeiten.

Zunächst mal kannst du den Kreislauf von Schuldgefühlen und Überessen durchbrechen, indem du dein Verhalten nicht mehr selbst noch zusätzlich verurteilst. 

1 | Beende die Selbstverurteilung so schnell wie möglich.

Kein Problem der Welt lässt sich mit Selbstverurteilung lösen. Schade eigentlich, wo wir darin doch oft so besonders gut sind. 😉

Aber sieh der Tatsache ins Auge: Das jahrelange Training in dem Bereich hat sich nicht bezahlt gemacht und dir kein Stück Fortschritt gebracht.

Was hättest du mit der Zeit und Energie alles machen können…?

Den Fehler bei dir und deinen falschen Entscheidungen zu suchen, hat dir am Ende wahrscheinlich nur eins eingebracht: jede Menge Schuldgefühle und Schamgefühle.

Die belasten dich nicht nur zusätzlich, sie erschweren es dir auch noch eine Veränderung herbeizuführen. Denn sie motivieren dich nicht einmal ansatzweise - sie bremsen dich aus.

Du kannst dich nicht in eine bessere Zukunft hineinschämen.

Bevor du jetzt noch eine zusätzliche Schicht davon auflegst, weil du dich eben so fühlst und es nicht ändern kannst: Diese Emotionen sind zum großen Teil das Ergebnis der allgemein herrschenden Diätmentalität.

Wer es nicht schafft, die Regeln einzuhalten, die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich für seine Gesundheit zusammen zu reißen, der ist halt selbst schuld. 

Das ist das Päckchen, das wir tragen, weil wir bei uns selbst mit den offensichtlich so einfachen und wirkungsvollen Rezepten nicht erfolgreich waren.

An den falschen Konzepten, Regeln und Versprechungen hat es natürlich nicht gelegen.

Hältst du daran fest, lässt du zu, dass diese Emotionen dir etwas sehr Wertvolles nehmen: Deine Hoffnung und deinen Glauben an dich selbst.

Schnalle das Päckchen so schnell wie möglich ab und stelle fest, dass es für dich so einfach eben nicht funktioniert. Quelle: Deine eigene jahrzehntelange Erfahrung.

Lasse deine Selbstvorwürfe los, denn mit deinen Erfahrungen stehst du durchaus auf der Seite der Mehrheit. 

Aber mit dieser Wahrheit lassen sich nun mal weder neue Bücher noch Programme oder Pülverchen zum Abnehmen verkaufen. 

2 | Investiere deine Energie stattdessen in Selbstmitgefühl.

Gehe davon aus, dass es einen nachvollziehbaren Grund gibt, warum du so isst, wie du isst.

Das gilt übrigens auch für alle anderen Verhaltensweisen, die du gerne ändern möchtest, aber anscheinend nicht kannst.

Nimm deinen emotionalen Schmerz ernst, genauso wie du es mit körperlichem Schmerz tun würdest.

Wenn du Kopfschmerzen bekommst, wirfst du wahrscheinlich auch nicht sofort ein Schmerzmittel ein. Du fragst dich, wo er herkommen könnte.

Hast du genug getrunken?
Hattest du Stress oder hast du dich überfordert?
Bekommst du deine Periode oder schlägt das Wetter um?

Auch dein emotionaler Schmerz hat in der Regel einen Auslöser.

Nimm dir die Zeit, ihn überhaupt erstmal wahrzunehmen.

Das ist die erste Voraussetzung, um ihn verarbeiten zu können. Je länger du das vertagst, desto schwieriger wird es, die Zusammenhänge später noch zu erkennen. 

Woran du erkennst, ob du genügend Selbstmitgefühl hast, kannst du mithilfe dieses Artikels überprüfen. Hier findest du auch ein paar Übungen, die dir helfen, mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln. Noch mehr Impulse für mehr Selbstmitgefühl findest du auch hier.

3 | Nimm eine neue Perspektive ein, um deine Muster zu erkennen. 

Wenn du die unbewussten Emotionen erkennst, die deinen Essdrang hervorrufen, bekommst du nach und nach die Macht über dein Verhalten zurück. 

Lass für eine Zeit mal die Bewertung dessen, was du tust und die Auswirkungen komplett beiseite und schaue dir das Geschehen aus einer höheren Perspektive an.

Tu so, als ob du nicht beteiligt wärst und jemandem anderem helfen würdest zu verstehen, was da passiert.

Frage dich, warum es passiert und ob du Auslöser erkennen kannst.

Gibt es Situationen, die sich wiederholen?
Hattest du schon ähnliche Gefühle in anderen Situationen?

Stresse dich nicht zu sehr, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Es ist alles andere als trivial, hinter die emotionalen Verknüpfungen beim Essen zu kommen.

Wenn du nicht genau weißt, wie du vorgehen sollst, oder du das Gefühl hast, irgendwie auf dem Schlauch zu stehen, kann ich dir helfen.

Innerhalb einer Erkenntnis Session können wir gemeinsam auf deine Herausforderung schauen und die unbewussten Muster dahinter entschlüsseln.

Hast du deine eigenen Muster und die damit verbundenen Emotionen erkannt, kannst du sie im nächsten Schritt aus deinem System entlassen.

Den Kreislauf aus schmerzhaften Gefühlen und Essen kannst du nur heilen, nicht mit Willenskraft besiegen.

Geheilte Wunden schmerzen bei Berührung nicht mehr. Du kannst also nicht mehr so leicht verletzt werden. 

Und was vielleicht sogar noch hilfreicher ist: Schmerzvermeidung verliert dann die höchste Priorität in deinem Leben. 

Lässt du die in deinem System gespeicherten Informationen los, löschst du damit nicht die Vergangenheit aus. Du veränderst aber die Energie, die du mit dir herumträgst - dein Päckchen wird leichter.

Deine emotionalen Muster funken dir dann nicht mehr ständig dazwischen, sondern lassen dir Raum für deine eigenen Entscheidungen. 

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Martina Aust
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