Denkst du oft darüber nach, dass du ein "guter Mensch" sein möchtest? Schließt das aus, dass du deine eigenen Bedürfnisse achtest und Grenzen setzen kannst?

Ein "guter Mensch" verhält sich vermutlich so: immer freundlich, immer offen, immer für alle da. Wer um Rat fragt, dem wird geholfen; wer Unterstützung braucht, zu dem sagt er ohne zu zögern "ja".

Was fühlst du, wenn du diese Beschreibung liest?

Klingt das für dich nach der idealen Lebensweise - oder auf Dauer doch zu anstrengend?

Sicher, eine Weile kann das funktionieren. Dann wird es zeitraubend und ungesund.

Wer immer für alle da ist; sie glücklich machen will – tut sich auf lange Sicht wahrscheinlich selbst nicht gut.

Woran erkennst du, dass Grenzen setzen nicht deine Stärke ist?

Vielleicht hast du es schon bemerkt: Je öfter du Dinge tust, die du eigentlich nicht möchtest; fühlst du dich unwohl, müde und erschöpft. Immer "ja" zu sagen, raubt Energie und kann sogar krank machen.

Außerdem läufst du Gefahr, dich ausnutzen zu lassen, wenn du versuchst, es immer allen recht zu machen.

Grenzen setzen ist das Zauberwort. Fehlende Grenzen führen zu fehlendem Respekt. Jeder erlaubt sich alles - und das auf deine Kosten.

"Ach, ich frage sie einfach mal, die macht das doch gerne.", denkt sich dann der Nachbar, der wieder keine Lust auf Schnee schippen hat. Und dann steht „sie“, die sich nicht traut abzulehnen, um 5 Uhr morgens auf, um den Gehsteig vom Schnee zu befreien.

Gut, vielleicht hat sie damit jemandem einen Gefallen getan. Nur: Sich selbst hat sie keinen getan. Vor allem nicht, wenn sie selber an dem Morgen einen wichtigen Termin hatte.

Wozu ist Grenzen setzen überhaupt gut?

Uns halten nur die Grenzen zurück, die wir uns selbst setzen.

Sicher hast du Zitate wie dieses schon gehört. Grenzen sind wie Stacheldraht, der uns davon abhält, unser Leben neu auszurichten und unsere Träume zu leben.

Das ist einerseits richtig, andererseits hat Grenzen setzen seinen Sinn. Nicht umsonst haben schon unsere Eltern uns früh unsere Grenzen aufgezeigt - sei es, nicht auf die Herdplatte zu fassen oder zu welcher Uhrzeit wir zu Hause sein mussten.

Für dein Befinden ist es essenziell, auch Grenzen nach außen aufzuziehen.

Ja, das kann manchmal sehr unangenehm sein. Du möchtest schließlich niemanden vor den Kopf stoßen.
Aber du möchtest ebenso glücklich, gesund und energiegeladen sein, nicht wahr? Genau dafür brauchst du gesunde Grenzen.

Auch in deinem Essverhalten kann sich zeigen, dass zu viele Fremde ungestraft durch deinen Vorgarten trampeln.

Grenzen setzen geschieht individuell. Jeder Mensch hat unterschiedliche persönliche Grenzen. Bei dem Einen ist das Limit schnell erreicht; ein Anderer setzt seine Grenzen lockerer.

Auswirkungen auf dein Essverhalten können auf verschiedene Weise entstehen:

  • du legst dir einen unbewussten Schutzmechanismus zu
  • du fühlst dich erschöpft und energielos
  • du bist gestresst und unausgeglichen

Rückt dir dein Umfeld dauerhaft empfindlich auf die Pelle, entwickelst du vielleicht unbewusst den Wunsch dich "auszudehnen", um dich davor zu schützen. Du bist in der Vergangenheit bloßgestellt, enttäuscht oder verletzt worden. Und jetzt möchtest du einfach einen größeren Abstand aufbauen. 

Die gute Nachricht ist: Du musst dich nicht gleich körperlich ausdehnen, um dich vor Übergriffen oder Verletzungen zu schützen.

Du sagst aus Angst vor Ablehnung und Zurückweisung zu oft an Stellen zu, wo du eigentlich lieber ablehnen würdest?

Es kann sein, dass du die Erschöpfung und Energielosigkeit, die dadurch entsteht, mit Hunger verwechselst. Das kann auch der Grund für den Drang sein, sich durch kleine Snacks zwischendurch immer wieder zu stärken.

Je gestresster und unentspannter du bist, desto anfälliger bist du auch für Heißhungerattacken. Das führt wiederum zu neuem Stress und nur noch mehr Unzufriedenheit.

Wenn du zu den Menschen gehörst, die sich viel um andere sorgen und sich deren Probleme auf die eigenen Schultern laden, kann es sein, dass du diese fremden Energien nicht mehr so leicht loswirst. Das, gepaart mit deinen eigenen Sorgen und Bedürfnissen, kann sich ebenfalls auf dein Essverhalten niederschlagen.

Die Konsequenz? Möglicherweise versuchst du die belastenden Gefühle mit Essen runterzuschlucken.

Leider nehmen die wenigsten Menschen von sich aus auf deine Bedürfnisse Rücksicht. Deshalb liegt es in deiner Verantwortung, dich darum zu kümmern und sie auch zu kommunizieren (dazu gleich mehr).

Dein eigenes Wohlbefinden sollte für dich höchste Priorität haben. Du tust dir selber und anderen nur Gutes, wenn du weißt, wo deine Grenzen liegen und sie auch respektierst.


Grenzen setzen

3 Tipps, wie du besser Grenzen setzen kannst:

1 | Lerne dich selbst kennen und lieben.

Solange du nicht weißt, wo deine persönlichen Grenzen liegen, kannst du schlecht Grenzen setzen.
Frage dich, was für dich persönlich wichtig ist.

Ein gesunder Körper? Familiengerechte Arbeitsbedingungen?
Welchen Menschen willst du deine Zeit schenken? Und welchen nicht?
Wodurch fühlst du dich wertgeschätzt; wodurch nicht?
Welchen zwischenmenschlichen Umgang wünschst du dir?

Denke dabei an Situationen, in denen du dich besonders wohl - oder eben unwohl - gefühlt hast.

Indem du deine Bedürfnisse hinterfragst, lernst du dich selbst besser kennen.
Du hast die Freiheit, deine Grenzen festzulegen und kannst sie dann nach außen vertreten.

Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie gerade deine Grenze überschreiten.
Woher sollen sie es auch wissen?
Weise dein Gegenüber also freundlich, aber bestimmt, darauf hin, z. B. indem du sagst "Bei dieser Vorgehensweise fühle ich mich nicht wohl, weil..."

2 | Lerne, "nein" zu sagen.

Nein zu der Kollegin, deren Arbeit du schon wieder übernehmen sollst, weil sie ihre Zeit beim Kaffeetrinken vertrödelt hat und nun nicht fertig wird.

Nein zu dem extra Stück Torte, das Oma dir wieder auf den Teller packt und bei dessen Anblick dir schon schlecht wird (du hattest ja schon zwei). Aber jedes Mal lässt du sie wieder gewähren, um sie bloß nicht zu verletzen.

"Nein" sagen ist hart. Besonders für Frauen, weil wir von klein auf eingetrichtert bekommen, immer brav "ja" zu allem zu sagen, um nicht als zickig zu gelten und gemocht zu werden.

Unser Gegenüber mag es in dem Moment nicht verstehen und reagiert vielleicht überrascht oder sogar verstimmt. Lass dich davon nicht von deiner Entscheidung abbringen!

Wenn jemand dein "nein" nicht akzeptieren kann, ist das nicht angenehm. Wenn es dir wichtig ist, hast du aber das Recht dazu. Mit der Zeit kannst du die Reaktionen darauf besser aushalten. Versuch es einfach immer wieder mal.

"Nein" ist ein vollständiger Satz. Benutze ihn ruhig öfter!

3 | Kleine Schritte bringen dich ans Ziel.

Grenzen setzen, ist ein wachsender Prozess.

Du kannst nicht von heute auf morgen zu allem "nein" sagen, ohne dich in eine Stresssituation nach der anderen zu bringen. Und darum geht es ja auch gar nicht.

Besser ist es, Schritt für Schritt vorzugehen. Fange klein an.

Ein paar Beispiele zum Üben:

  • Mitten in der Fußgängerzone wirst du gefühlt jedes Mal von Promotern angehalten? Lehne gleich zu Anfang höflich, aber bestimmt ab und gehe weiter.
  • Du wolltest heute ins Kino, aber deine Nachbarin bittet dich zwischen Tür und Angel um einen Gefallen? Erkläre ihr, dass du leider schon etwas vorhast und biete Ihr deine Hilfe für ein anderes Mal an (wenn du möchtest).

Versuche dabei konsequent zu bleiben.

Klingt das Hilfsprojekt spannend oder hast du insgeheim sowieso keine Lust auf den Film - dann kannst du deinen Plan "nein" zu sagen", immer noch ändern. Nur lass dich nicht zu etwas drängen, das dir am Ende quer im Magen liegt.

Falls du doch einknickst: Das ist in Ordnung. Mache dich nicht selbst klein deswegen, sondern versuche es einfach beim nächsten Mal wieder.

Sobald erste Erfolge eintreffen, wird es dir automatisch leichter fällen, deine Grenzen zu kommunizieren und an ihnen festzuhalten.

Klingt das nicht ziemlich egoistisch?

Selbstfürsorge wird in unserer Gesellschaft oft als Egoismus interpretiert und dadurch negativ bewertet. Doch ein gesunder Umgang mit der eigenen Energie sorgt für unser Wohlbefinden - und dadurch auch für das unserer Mitmenschen.

Denn nur, wenn es dir selbst gut geht; du mit dir zufrieden bist, kannst du anderen helfen.

Kennst du die Sicherheitshinweise im Flugzeug, die vor dem Abflug von den Stewardessen vorgeführt werden?

In dem Teil mit der Atemschutzmaske wird jedes Mal explizit darauf hingewiesen, die Maske erst sich selbst überzuziehen und erst dann anderen Passagieren zu helfen. Im schlimmsten Fall fummelst du vielleicht nervös an der Maske herum - und wirst währenddessen ohnmächtig - genauso wie dein Sitznachbar. So ist keinem geholfen.

Indem du deine eigene Ohnmacht verhinderst, bringst du neue Energie auf, mit der du auch für andere da sein kannst.

Es ist nicht nur dein Recht, sondern deine Pflicht dich um deine Grenzen zu kümmern, um dein persönliches Wohlbefinden und deine Gesundheit zu schützen.

Hinterfrage dein Verhalten regelmäßig - egal, ob es nun ums Essen geht oder die regelmäßigen Überstunden, die du schiebst - machst du es gerne oder steckt etwas anderes dahinter?

Letztlich geht es darum, ein gesundes Gleichgewicht zu finden. Du kannst für Andere da sein, aber vergiss dabei nicht dich selbst.

Setze Grenzen. Und am Ende wirst du mit mehr Ausgeglichenheit, positiven Energien und weniger Stress belohnt.

Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben!

Wenn du dich und deine Bedürfnisse wichtig nimmst, werden auch andere dich wichtig nehmen, dich respektieren und deine Unterstützung entsprechend wertschätzen.

Der Wegweiser raus aus deinen Essmustern

Das könnte dich auch interessieren:

Martina Aust
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Notwendige Felder sind mit * markiert.

  1. Dankeschön. Es hat mir gut getan, das zu lesen. Ich bin genauso so ein Mensch. Es trifft den Nagel auf den Kopf 👍Ich bin dabei, an mir zu arbeiten, aber es gelingt mir nicht immer. Leider. Hinterher ärgere ich mich über mich selbst. Und ich habe auch diese bewussten Fressattacken.

    1. Liebe Erika, das Problem mit dem Grenzen setzen und das emotionale Essen trifft man häufig im Doppelpack an. Und es ist ein Weg, denn erkennen heißt noch nicht es auch umsetzen zu können. Das ist ganz normal. Aber wie mit vielem im Leben: Je länger wir üben, desto besser werden wir. So ist es jedenfalls bei mir ;-). Wünsche Dir ganz viel Power und Selbstmitgefühl dabei. Liebe Grüße, Martina.

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}