Dein Essverhalten zu verändern ist mehr, als nur deine Ernährung umzustellen oder eine neue Diät anzufangen. Das sind alternative Verhaltensweisen, die du dir für einen überschaubaren Zeitraum überstülpst, die aber nicht wirklich im Einklang mit deinem inneren Empfinden sind.
Wenn du dein Essverhalten ändern willst, geht es vielmehr darum, welche inneren und äußeren Impulse dich dazu bringen zu essen. Es geht darum, welches Verhältnis du zu Essen hast. Es geht um die Rolle, die es in deinem Leben spielt und wie du sie verändern möchtest.
Das ist ein Prozess, der länger als ein paar Diät-Wochen dauert und nicht mit einer Ernährungsumstellung abgeschlossen ist.
Wie fange ich an? Was du loslassen und was du verändern kannst:
1 | Kurz zurückschauen, loslassen und dann neu anfangen.
Was hast du schon alles versucht, um dein Gewicht zu verändern und deine Ernährung zu verbessern? Ich vermute mal, eine ganze Menge. Wahrscheinlich mit eher mäßigem Erfolg, sonst würdest du das hier erst gar nicht lesen.
Damit gehörst du auch nicht zu einer kleinen Minderheit, die es nicht auf die Reihe bekommen hat, sondern zur Mehrheit der Menschen, die eine klassische Diätkarriere durchlaufen haben. Warum das so ist, kannst du hier nachlesen.
Der Punkt dabei ist: Diese vergeblichen Versuche, zusammen mit den verheißungsvollen Botschaften, wie schnell und wie leicht man die unerwünschten Kilos eigentlich loswerden kann, wenn man es nur wirklich will, haben vermutlich etwas mit dir gemacht. Sie haben dich zumindest nicht kaltgelassen. Spüre mal in dich hinein, welche Gefühle du in Bezug auf diese früheren Anläufe hast.
Wenn du sagst: Schwamm drüber, kann passieren, geht anderen nicht anders, dann ist alles im Lot und du kannst entspannt zum nächsten Punkt übergehen.
Wenn du aber eher das Gefühl hast, versagt zu haben und dich für undiszipliniert und zu schwach hältst, dann schau dir das mal genauer an.
Das Versagen des Diätansatzes hat nichts mit dir als Person zu tun. Indem du das glaubst, vergrößerst du die Lücke zwischen "Wie will ich sein?" und "Wie glaube ich zu sein?" und das macht auf Dauer unglücklich.
Es führt auch dazu, dass du neue, hinderliche Glaubenssätze erschaffst wie:
"Etwas stimmt nicht mit mir, weil ich es nicht schaffe."
oder
"Ich kann mich nicht verändern, ich schaffe das einfach nicht."
Mach dir diese Gefühle bewusst; erkenne, dass sie nichts mit dir als Person zu tun haben und lass sie los.
Damit schaffst du die Voraussetzung, einen neuen Weg einzuschlagen. Einen, der mehr auf Selbstfürsorge und Nachhaltigkeit statt auf Selbstdisziplin und kurzfristige Erfolge aufbaut.
2 | Diätmentalität aufgeben
Kontrolle und Verbote führen auf Dauer zu Heißhunger auf genau die Produkte, die du so vehement zu vermeiden versuchst. Je länger du dich beim Essen schon kontrollierst und strenge Regeln einhältst, desto stärker wird die Gegenreaktion deines inneren Überlebensprogramms mit der Zeit.
Du merkst es daran, dass du dir nur in Gedanken vornehmen musst, deine Ernährung zu verändern und schon wirst du von Essgelüsten überrollt, als ob irgendwo jemand den Notstand ausgerufen hätte.
Diese Überempfindlichkeit kannst du nicht in einem Anlauf, indem du einen Schalter im Kopf umlegst, wieder rückgängig machen. Du hast dich selbst jahrelang so konditioniert. Diesen Automatismus wieder umzukehren, dauert seine Zeit.
Dazu kommt die Angst, dass es keine Alternative zu klassischen Diätansätzen und Selbstkontrolle gibt. Dein Denken allein in dem Punkt zu verändern, ist ein großer Schritt.
Das ist nichts, was in einer Silvesternacht passiert oder jemand in einem Gespräch (oder Blogartikel ) für dich erledigen kann.
Befrage deine innere Stimme, deine Intuition, was sich für dich gut anfühlt und gehe dann Schritt für Schritt vor. Überfordere dich nicht, sondern suche den Weg, der für dich stimmig ist und gehe ihn in deinem eigenen Tempo.
3 | Langsam essen. Bewusst essen. Achtsam essen.
Im Alltag sind wir oft so hektisch unterwegs, dass wir nur noch zwischendurch und in Eile essen. Das Bewusstsein dafür, was und wie viel wir essen, bleibt dabei auf der Strecke.
Gleichzeitig sind Gewohnheiten wie „schnell was auf die Hand“, im Auto oder am Schreibtisch zu essen, so tief verankert, dass sie wie automatisch ablaufen.
Sich das wieder abzugewöhnen, fühlt sich irgendwie nicht gut an. Da der Nutzen auch nicht unmittelbar spürbar ist, hat man das Gefühl, die eigene strenge Elternstimme wiederbeleben zu müssen, um das zu verändern.
Neue Gewohnheiten zu etablieren, ist daher oft einfacher als an den alten anzusetzen.
Wenn das achtsame Essen noch ein Buch mit sieben Siegeln für dich ist - fange erstmal ganz einfach an. Nimm dir vor, langsamer zu essen. Dadurch verbesserst du dein Essverhalten schon ein großes Stück.
Das ist der erste Schritt auf dem Weg zur dauerhaften Veränderung. Du schmeckst nicht nur besser, was du isst, sondern gibst dir auch selbst die Möglichkeit dein Sättigungsgefühl deutlicher wahrzunehmen.
Mit der Zeit führt das dazu, dass du schneller satt bist und dann irgendwann auch weniger isst.
Gleichzeitig ist das langsamere, achtsame Essen auch die Voraussetzung dafür, herauszufinden WARUM du isst.
Einen Gang oder besser mehrere Gänge runter zu schalten, gibt dir die Chance Zusammenhänge zu erkennen. Dir wird nicht nur bewusst, was gerade passiert, du bekommst zusätzlich die Möglichkeit darauf zu reagieren.
Häufig reduziert sich Heißhunger schon dadurch, dass man vor dem Essen eine Pause einlegt und die Gefühlswelle erst mal abebben lässt. Auch das führt dann dazu, dass man am Ende weniger isst.
Wenn du mehr über die Vorzüge des langsamen und achtsamen Essens erfahren willst, findest du hier meine früheren Artikel zu diesem Thema:
4 | Zusammenhänge bewusst machen
Auch wenn es für dich im Endergebnis noch nicht spürbar ist: Es gibt einen großen Unterschied zwischen
„Ich habe halt immer Hunger“ oder
„Ich bin ein totaler Genussesser“ und
„Wenn ich traurig bin, esse ich Schokolade und wenn ich wütend bin, brauche ich Nüsse“.
Wo der liegt?
Vielleicht noch nicht in der Menge dessen, was die einzelnen Personen essen, aber in der Bewusstheit.
Jemand, der einen der beiden ersten Sätze sagt, bemerkt zwar seine Essimpulse, kann diese aber nicht seiner inneren Stimmung und seinen emotionalen Bedürfnissen zuordnen.
Wenn du deine Wut spürst und weißt, welchen Essimpuls sie auslöst, kannst du etwas verändern. Du kannst dir ansehen, was dich wütend macht. Du kannst prüfen, ob du mit diesen Situationen anders umgehen kannst, um gar nicht erst wütend zu werden.
Gibt es hier ein Muster, das sich immer wiederholt, weil es eine ganz alte Wut in dir wieder aktiviert?
Kannst du das aus eigener Kraft verändern?
Du kannst dir auch alternative Bewältigungsstrategien für deine Wut suchen. Du kannst sie zumindest erstmal abklingen lassen, bevor du die Packung öffnest.
Allein schon dadurch, dass du nicht sofort reagierst, reduziert sich der Essdrang in vielen Situationen spürbar.
Du willst herausfinden, welche inneren Verknüpfungen dein Essverhalten beeinflussen? Dann lade dir hier meinen Wegweiser aus den Essmustern ins intuitive Essen herunter:
Wie halte ich durch?
1 | Vorsicht mit den Zielen
Das hast du jetzt wahrscheinlich so nicht erwartet. Überall liest man genau das Gegenteil: Du musst dir Ziele setzen. Sie müssen spezifisch, messbar und mit konkreten Terminen versehen sein.
Echt, jetzt wirklich?
Ok, ich weiß, was damit gemeint ist. Und in einem beruflichen Umfeld, wo es um die Umsetzung von Projekten - vor allem in Teams - geht, stimme ich dem auch zu.
Wenn es allerdings um die Veränderung deiner Essgewohnheiten geht, sehen Ziele ja oft so aus: „Ich werde bis März 10 Kilo abnehmen.“
Wie fühlt sich das an? Motiviert dich das?
Solche Ziele klingen nicht nur unrealistisch, sie sind häufig der schnellste Weg, um dich mit dir selbst, deinem Leben und deinem Körper schlecht zu fühlen. Und das hat dann oft Auswirkungen, die eher kontraproduktiv sind.
Mein Tipp dazu:
Das Problem mit den Zielen beim Essverhalten ist, dass sie in der Regel den Zustand, wie er aktuell ist, abwerten und verurteilen und durch die geplante Verhaltensänderung bestrafen.
Das ist keine gute Voraussetzung für einen langen Atem.
Ein gut gehütetes Geheimnis dabei ist auch folgendes: Dein Ziel zu erreichen, wird dein Leben nicht automatisch verändern.
Das ist einer der Hauptgründe, warum es so schwer ist, langfristig durchzuhalten.
Weil das ungute Gefühl, dass du eben nicht allein dadurch glücklich wirst, dass du Gewicht verloren hast, sich irgendwann breit macht.
Zu 90 % hat das, was du dir tatsächlich wünschst, nichts mit deinem Gewicht zu tun.
Es ist aber etwas, von dem du glaubst, dass du es nur bekommst, wenn du dieses Ziel erreicht hast.
Finde heraus, was es für dich ist und gehe erste Schritte in diese Richtung.
Das nimmt dir den Druck auf deiner Ernährung, reduziert deinen seelischen Hunger und lässt dich so leichter durchhalten.
2 | Kleine Schritte machen
Also, wenn das Endziel nicht motiviert, sich eher unrealistisch anfühlt und mehr sabotiert als unterstützt, was dann?
Setze bei deinem Verhalten an, nicht bei der Zahl, die du auf der Waage gerne sehen würdest. Definiere deine eigene Form von Erfolg.
Sind vier Wochen harte Selbstdisziplin ein Erfolg, wenn du danach erschöpft wieder in alte Verhaltensweisen zurückfällst?
Könnte es nicht mehr wert sein, wenn du es schaffst achtsamer zu essen und das als neue Gewohnheit dauerhaft etablieren kannst? Wäre das ein Erfolg, auf den du stolz sein kannst?
Definiere kleine Schritte, die in eine neue Richtung zeigen und im Einklang mit deinem eigenen Seelenfrieden sind.
„Heute esse ich den ganzen Tag langsamer als bisher.“
Wenn das gut klappt, kannst du den Zeitraum vergrößern. Von einem Tag auf eine Woche und dann auf einen Monat. Wenn das gut läuft und dir keine Mühe mehr macht, kannst du den nächsten Schritt dazu nehmen.
Du könntest dir vornehmen, dein Sättigungsgefühl besser zu spüren und öfter zu respektieren.
Erscheint dir das zu wenig?
Überlege, ob so eine dauerhafte Veränderung nicht mehr wert ist, als ein kurzfristiger Erfolg, der sich schnell wieder zum Misserfolg dreht.
Große innere Reisen beginnen meist mit kleinen Schritten.
3 | Fortschritt statt Perfektion
Konzentriere dich auf den Prozess, nicht das Ergebnis. Egal wie du es angehst und was für dich persönlich der stimmigste Weg ist, dauerhafte Veränderung ist immer ein Prozess.
Jahrelang praktizierte Gewohnheiten ändert man nicht von jetzt auf gleich. Schon gar nicht, wenn deine Gefühle stark mit deinen Essgewohnheiten verknüpft sind.
Diese Verknüpfung hat ein Muster erzeugt, das sich immer wiederholt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Wenn du emotionales Essen stoppen willst, musst du diese unbewussten Muster lösen.
Selbst wenn es einen Zauberstab gäbe, der dich mit einer einzigen Berührung von all deinen Essmustern befreien könnte - ich weiß, das wäre fast noch besser als ein Lottogewinn - bleibt danach immer noch dein selbst konditioniertes Verhalten.
Es wird auch nach der Lösung eines Musters noch manchmal Situationen geben, in denen du trotzdem zum altbekannten Pflaster greifst. Nicht, weil du es so unbedingt brauchst wie früher, sondern weil du in dem Moment keine Alternative siehst.
Der Unterschied ist dann, dass du es bewusster tust und dir schneller klar wird, dass es dir keine Hilfe mehr ist.
Das bedeutet nicht, dass du keine Fortschritte machst, sondern dass es auch Tage gibt, in denen du mangels Alternative nochmal einen Abstecher ins alte Verhalten machst.
Damit fängst du dann nicht wieder ganz von vorne an. Du machst danach einfach an der Stelle weiter, wo du vor dem Abstecher schon warst.
4 | Erfolge bewusst machen - und feiern
Mach auch die allerkleinsten Erfolge sichtbar. Was wäre das für dich? Zerlege es in Minischritte, die dir machbar erscheinen und setze den ersten sofort um.
Hilfreich ist es, dir regelmäßig Notizen zu machen, was sich verändert hat und so die Aufmerksamkeit auf deine Erfolge und das, worauf du stolz bist, zu lenken. Das festigt dich auch für die Momente, in denen es nicht so optimal läuft.
Und feiere deine Erfolge ausgiebig. Eine Woche lang bewusst und mit voller Aufmerksamkeit gegessen? High five!
Belohne dich dafür. Kauf dir ein schönes Buch, eine Duftkerze oder einen leckeren Tee.
Variiere die Belohnungen und vergrößere die Abstände.
Drei Monate achtsamer gegessen und dein Sättigungsgefühl wieder gespürt (auch wenn du ihm noch nicht immer folgst)?
Den Grund für deinen nachmittäglichen Süßhunger erkannt?
Großartig! Dann ist es Zeit für eine Massage oder eine andere ausgiebige Verwöhn-Behandlung.
5 | Neue Rituale schaffen
Du kannst die besten Absichten haben, dein Alltag und deine Routinen mögen irgendwie keine neuen Abläufe. Ehe du dich versiehst, bist du mit Essen fertig und hast das mit der Achtsamkeit wieder irgendwie verschludert.
Dazu kommen noch deine gewohnten Trigger, wie:
Nachhause kommen ⇾ Jacke aus ⇾ Kühlschrank.
Oder:
Couch ⇾ Fernsehen ⇾ Chips.
Überlege dir, wie du Erinnerungen in deinen Tagesablauf einbauen kannst, die dir helfen dein neues Verhalten zu verankern und beizubehalten.
Ich nutze dazu beispielsweise mein Passwort am PC als liebevolle Erinnerung.
Wenn du jeden Tag mehrmals „Achtsam#2023“ (das ist nicht meins ) eintippst, sickert es so langsam in die tieferen Schichten deines Gedächtnisses und in dein Tagesbewusstsein.
Du kannst auch Post-its in der Küche anbringen, ein schönes Bild als Desktop-Hintergrund abspeichern oder ein Poster von innen an deine Wohnungstür hängen.
Wichtig ist nur, dass du dich gut dabei fühlst und nicht unangenehm gedrängt oder zurechtgewiesen.
Wenn du herausgefunden hast, wo dein abendliches Stressessen herkommt, hilft es dir vielleicht ein neues Ritual einzuführen. Du könntest ein paar Mal tief ausatmen und dir vorstellen, wie du den Stress des Tages wie einen schweren Mantel abstreifst, bevor du deine Wohnung betrittst.
Oder du setzt dich erst mal ruhig in einen Sessel, genießt eine Tasse Tee und kommst etwas runter, bevor du die Küche betrittst oder den Fernseher einschaltest.
Schaffe dir ein ganz eigenes Ritual und wiederhole es so oft, bis du merkst, dass es dir beim Gedanken an den Feierabend automatisch in den Sinn kommt. Dann hast du den alten Ablauf ersetzt.
Es hilft, deinen eigenen Fortschritt in diesen kleinen Veränderungen zu erkennen.
Wenn du dir täglich bewusst machst, wie du bisher schon dein Essverhalten ändern konntest, motiviert dich das zusätzlich. Du brauchst dann keine große Kraftanstrengung um durchzuhalten, denn es erscheint dir als ein lohnender, sinnvoller und natürlicher Weg.
Ein wohlwollender, achtsamer Artikel, der die Versöhnung mit dem eigenem Körper, als Weg zu mehr Wohlbefinden, deutlich über die innere Abwertung für zuviel Bauchfett stellt.
Liebe Rebecca-Elaine, schön, dass Du das so gespürt hast. Und ja, es geht nur so indem wir Nachsicht und Wohlwollen mit uns selbst zeigen. Liebe Grüße Martina